3.2.2 Lokale Operationen

Wenn du zwei Qubits hast, führt eine lokale Operation nur zu Veränderungen auf einem der Qubits. Jede Operation, die man auf einem Qubit ausführen kann, kann man als lokale Operation betrachten, die auf zwei Qubits operiert, so wie wir dies schon in Abschnitt 3.1.2 getan haben. Erinnern wir uns beispielsweise an die Ein-Bit-NOT-Operation von Gl. 1.17, die wir in lokale NOT Operationen in Gl. 3.6 und 3.7 umgewandelt haben, so können wir dieses analog für die Ein-Qubit-NOT-Operation machen. Die resultierenden lokalen Quantum NOT-Operationen sehen sehr ähnlich aus:

NOT1|00=|10,NOT1|01=|11,NOT1|10=|00,NOT1|11=|01,\displaystyle\mathrm{NOT}_{1}\,\left|00\right\rangle=\left|10\right\rangle,% \quad\mathrm{NOT}_{1}\,\left|01\right\rangle=\left|11\right\rangle,\quad% \mathrm{NOT}_{1}\,\left|10\right\rangle=\left|00\right\rangle,\quad\mathrm{NOT% }_{1}\,\left|11\right\rangle=\left|01\right\rangle,
NOT2|00=|01,NOT2|01=|00,NOT2|10=|11,NOT2|11=|10.\displaystyle\mathrm{NOT}_{2}\,\left|00\right\rangle=\left|01\right\rangle,% \quad\mathrm{NOT}_{2}\,\left|01\right\rangle=\left|00\right\rangle,\quad% \mathrm{NOT}_{2}\,\left|10\right\rangle=\left|11\right\rangle,\quad\mathrm{NOT% }_{2}\,\left|11\right\rangle=\left|10\right\rangle.

Der einzige Unterschied ist, dass wir die Bit-Notation [ab][ab] durch die Qubit-Notation |ab\left|ab\right\rangle ersetzt haben.

Schauen wir uns nun eine Anwendung an: Nehmen wir an, wir wollen aus |00\left|00\right\rangle alle möglichen Zwei-Qubit Basiszustände bilden. Dies kann durch NOT-Operationen getan werden:

|00=|00,|01=NOT2|00,|10=NOT1|00,|11=NOT2NOT1|00.\displaystyle\left|00\right\rangle=\left|00\right\rangle,\quad\left|01\right% \rangle=\mathrm{NOT}_{2}\,\left|00\right\rangle,\quad\left|10\right\rangle=% \mathrm{NOT}_{1}\,\left|00\right\rangle,\quad\left|11\right\rangle=\mathrm{NOT% }_{2}\;\mathrm{NOT}_{1}\,\left|00\right\rangle.

Beachte, dass wir im letzten Fall die NOT-Operationen in umgekehrter Reihenfolge hätten durchführen können, weil beide Sequenzen beide Bits negieren.

Um eine lokale Operation in Quirky durchzuführen, platzieren wir die entsprechende Box auf entweder den ersten oder den zweiten Draht. Zum Beispiel führt die folgende Sequenz zum Zustand |10\left|10\right\rangle und zeigt die Messwahrscheinlichkeiten, wenn man beide Qubits misst:

[Uncaptioned image]

Dies ergibt Sinn, da der untere Draht in Quirky dem ersten Qubit entspricht.

Dies kann man am Besten mit der Tensorprodukt-Notation aus Gl. 3.50 und Linearität darstellen. Wenn UU eine beliebige Ein-Qubit Operation ist, dann können wir U1U_{1} definieren als die Zwei-Qubit Operation, die auf jedem Basisvektor |a,b=|a|b\left|a,b\right\rangle=\left|a\right\rangle\otimes\left|b\right\rangle (wobei a,b{0,1}a,b\in\{0,1\}) wie folgt definiert ist:

U1|a,b=U|a|b.\displaystyle U_{1}\left|a,b\right\rangle=U\!\left|a\right\rangle\otimes\left|% b\right\rangle. (3.52)

Die rechte Seite bedeutet (U|a)|b(U\!\left|a\right\rangle)\otimes\left|b\right\rangle, sprich das Tensorprodukt von den beiden Zuständen U|aU\left|a\right\rangle und |b\left|b\right\rangle. Dies ist intuitiv, da wir einfach UU nur auf das erste Qubit anwenden und das zweite Qubit unverändert lassen.

Um U1U_{1} auf einen beliebigen Zwei-Qubit Zustand anzuwenden, erweitern wir diese Vorschrift mittels Linearität. Wie in der ersten Woche bedeutet dies, dass wir erst |ψ\left|\psi\right\rangle erweitern wie in Gl. 3.31 und dann die Operation auf jeden Basisvektor anwenden. Dies ergibt also

U1|ψ=ψ00U1|00+ψ01U1|01+ψ10U1|10+ψ11U1|11\displaystyle U_{1}\left|\psi\right\rangle=\psi_{00}\,U_{1}\left|00\right% \rangle+\psi_{01}\,U_{1}\left|01\right\rangle+\psi_{10}\,U_{1}\left|10\right% \rangle+\psi_{11}\,U_{1}\left|11\right\rangle

Jetzt können wir Gl. 3.52 auf jeden der vier Terme anwenden. Wir definieren U2U_{2} analog:

U2|a,b=|aU|b\displaystyle U_{2}\left|a,b\right\rangle=\left|a\right\rangle\otimes U\left|b\right\rangle (3.53)

und erweitern es mittels Linearität. Dies ist analog zu den Formeln in Gl. 3.27 für gewöhnliche Bits.

Zusätzlich zur NOT-Operation sind zwei wichtige Quantum Operationen, die wir ständig benutzen, die ZZ-Operation aus Gl. 2.26 und die Hadamard-Operation aus Gl. 2.34. Da beide so wichtig sind, haben wir ihnen ihre eigenen Boxen in Quirky gegeben, nämlich ZZ und HH.

[Uncaptioned image]
\href https://www.quantum-quest.org/quirky/QuirkyQuest3Q.html#circuit=%7B%22% cols%22%3A%5B%5B%22NOT%22%5D%2C%5B1%2C%22H%22%5D%2C%5B1%2C%22Z%22%5D%2C%5B%22% Measure%22%2C%22Measure%22%5D%2C%5B%22Chance2%22%5D%5D%7D
(3.54)

Welchen Zustand erhalten wir hierdurch? Der mathematische Ausdruck für den Zustand ist

Z1H1NOT2|00.Z_{1}H_{1}\mathrm{NOT}_{2}\left|00\right\rangle. (3.55)

Beachte, dass im Unterschied zur graphischen Beschreibung (3.54) sich der Eingabezustand |00\left|00\right\rangle in dieser Ausdrucksform auf der rechten Seite befindet. Dies führt dazu, dass die Reihenfolge der Operationen in umgekehrter Reihenfolge erscheinen. Jedoch beschreiben sowohl (3.54) als auch Gl. 3.55 den gleichen Prozess – die erste Operation, die wir anwenden auf |00\left|00\right\rangle ist NOT2\mathrm{NOT}_{2}, dann H1H_{1} und schlussendlich Z1Z_{1}. Der einzige Unterschied zwischen (3.54) und Gl. 3.55 ist die Vereinbarung, wie wir den Zeitverlauf darstellen: Er geht von links nach rechts in (3.54) und von rechts nach links in Gl. 3.55. Leider sind diese beiden abweichenden Konventionen Standard im Quantum Computing, wir können also nichts dagegen tun. Du musst also sorgfältig sein, wenn du Quirky Bilder in Gleichung übersetzt und umgekehrt!

Übungsaufgabe 3.8 (Ist Quirky korrekt?).

Berechne den Zwei-Qubit Zustand in Gl. 3.55 (also den Zustand direkt vor dem Messen in (3.54)). Berechne die Wahrscheinlichkeit für die Messergebnisse und vergleiche deine Ergebnisse mit Quirky.

Lösung. Wir starten mit |00\left|00\right\rangle. Nach der NOT-Operation auf dem zweiten Qubit erhalten wir |01\left|01\right\rangle. Die Hadamard-Operation auf dem ersten Qubit wandelt diesen Zustand um in |+|1=12|01+12|11\left|+\right\rangle\otimes\left|1\right\rangle=\frac{1}{\sqrt{2}}\left|01% \right\rangle+\frac{1}{\sqrt{2}}\left|11\right\rangle. Mit der finalen ZZ-Operation erhalten wir den folgenden zwei-Qubit Zustand direkt vor dem Messen:
12|0112|11.\displaystyle\frac{1}{\sqrt{2}}\left|01\right\rangle-\frac{1}{\sqrt{2}}\left|1% 1\right\rangle.
Also erhalten wir entweder 0101 oder 1111, beide jeweils mit Wahrscheinlichkeit 50%.

Letzte Woche haben wir in Abschnitt 2.4.3 besprochen, dass jegliche Operation auf einem einzelnen Qubit entweder eine Rotation U(θ)U(\theta) oder eine Spiegelung V(θ)=NOTU(θ)V(\theta)=\mathrm{NOT}\,U(\theta) ist. Da wir beliebige Rotationen in Quirky (s. Abschnitt 2.4.1) konstruieren können, können wir also beliebige lokale Operationen auf beiden Qubits ausführen mittels Quirky.

Es ist sogar so, dass die Regeln von Gl. 3.52 und 3.53 nicht nur auf Basisvektoren funktionieren, sondern sogar auf beliebigen Produktzuständen. Sprich, wenn |α\left|\alpha\right\rangle und |β\left|\beta\right\rangle beliebige einzelne Qubit-Zustände sind, dann gilt

U1(|α|β)\displaystyle U_{1}\left(\left|\alpha\right\rangle\otimes\left|\beta\right% \rangle\right) =U|α|β,\displaystyle=U\left|\alpha\right\rangle\otimes\left|\beta\right\rangle, (3.56)
U2(|α|β)\displaystyle U_{2}\left(\left|\alpha\right\rangle\otimes\left|\beta\right% \rangle\right) =|αU|β.\displaystyle=\left|\alpha\right\rangle\otimes U\left|\beta\right\rangle. (3.57)
Übungsaufgabe 3.9 (Lokale Operationen auf Produktzuständen (optional)).

Kannst du Gl. 3.56 oder (3.57) nachweisen?

Lösung. Wir zeigen nur, wie wir Gl. 3.56 verifizieren können (die andere Gleichung verläuft analog). Dafür schreiben wir |α=α0|0+α1|1\left|\alpha\right\rangle=\alpha_{0}\left|0\right\rangle+\alpha_{1}\left|1\right\rangle und |β=β0|0+β1|1\left|\beta\right\rangle=\beta_{0}\left|0\right\rangle+\beta_{1}\left|1\right\rangle. Dann gilt
U1(|α|β)\displaystyle U_{1}\left(\left|\alpha\right\rangle\otimes\left|\beta\right% \rangle\right) =U1(α0β0|00+α0β1|01+α1β0|10+α1β1|11)\displaystyle=U_{1}\left(\alpha_{0}\beta_{0}\left|00\right\rangle+\alpha_{0}% \beta_{1}\left|01\right\rangle+\alpha_{1}\beta_{0}\left|10\right\rangle+\alpha% _{1}\beta_{1}\left|11\right\rangle\right)
=α0β0U1|00+α0β1U1|01+α1β0U1|10+α1β1U1|11\displaystyle=\alpha_{0}\beta_{0}U_{1}\left|00\right\rangle+\alpha_{0}\beta_{1% }U_{1}\left|01\right\rangle+\alpha_{1}\beta_{0}U_{1}\left|10\right\rangle+% \alpha_{1}\beta_{1}U_{1}\left|11\right\rangle
=α0β0U|0|0+α0β1U|0|1+α1β0U|1|0+α1β1U|1|1\displaystyle=\alpha_{0}\beta_{0}U\left|0\right\rangle\otimes\left|0\right% \rangle+\alpha_{0}\beta_{1}U\left|0\right\rangle\otimes\left|1\right\rangle+% \alpha_{1}\beta_{0}U\left|1\right\rangle\otimes\left|0\right\rangle+\alpha_{1}% \beta_{1}U\left|1\right\rangle\otimes\left|1\right\rangle
=α0U|0(β0|0+β1|1)+α1U|1(β0|0+β1|1)\displaystyle=\alpha_{0}U\left|0\right\rangle\otimes(\beta_{0}\left|0\right% \rangle+\beta_{1}\left|1\right\rangle)+\alpha_{1}U\left|1\right\rangle\otimes(% \beta_{0}\left|0\right\rangle+\beta_{1}\left|1\right\rangle)
=α0U|0|β+α1U|1|β\displaystyle=\alpha_{0}U\left|0\right\rangle\otimes\left|\beta\right\rangle+% \alpha_{1}U\left|1\right\rangle\otimes\left|\beta\right\rangle
=(α0U|0+α1U|1)|β\displaystyle=(\alpha_{0}U\left|0\right\rangle+\alpha_{1}U\left|1\right\rangle% )\otimes\left|\beta\right\rangle
=U|α|β\displaystyle=U\left|\alpha\right\rangle\otimes\left|\beta\right\rangle
durch Gl. 3.50, die Definition von U1U_{1} und Linearität.