2.4.1 Rotationen

Bisher wissen wir nur, wie man die Zustände |0\left|0\right\rangle und |1\left|1\right\rangle mit Quirky baut. Quanteninformatik wäre aber nicht besonders interessant, wenn das unsere einzigen Optionen wären! Um spannendere Zustände zu generieren, müssen wir uns andere Operationen ausdenken.

Eine naheliegende Operation ist, den Kreis um einen festgelegten Winkel zu drehen (rotieren). Lass uns die Rotation um den Winkel θ\theta einfach U(θ)U(\theta) nennen. Du kannst immer annehmen, dass der Winkel in [0,2π)[0,2\pi) liegt. Da |0=|ψ(0)\left|0\right\rangle=\left|\psi(0)\right\rangle und |1=|ψ(π2)\left|1\right\rangle=\left|\psi(\frac{\pi}{2})\right\rangle gilt, wirkt die Operation wie folgt auf die Basisvektoren (siehe Abb. 2.5):

U(θ)|0=|ψ(θ),U(θ)|1=|ψ(θ+π2).U(\theta)\left|0\right\rangle=\left|\psi(\theta)\right\rangle,\qquad U(\theta)% \left|1\right\rangle=\left|\psi(\theta+\tfrac{\pi}{2})\right\rangle. (2.27)

Wir können diese Definition also in Vektornotation so schreiben:

U(θ)(10)=(cosθsinθ),U(θ)(01)=(sinθcosθ),U(\theta)\begin{pmatrix}1\\ 0\end{pmatrix}=\begin{pmatrix}\cos\theta\\ \sin\theta\end{pmatrix},\qquad U(\theta)\begin{pmatrix}0\\ 1\end{pmatrix}=\begin{pmatrix}-\sin\theta\\ \cos\theta\end{pmatrix}, (2.28)

wobei wir ausgenutzt haben, dass cos(θ+π2)=sinθ\cos(\theta+\frac{\pi}{2})=-\sin\theta und sin(θ+π2)=cosθ\sin(\theta+\frac{\pi}{2})=\cos\theta.

Abbildung 2.5: Die Zustände |0\left|0\right\rangle und |1\left|1\right\rangle um den Winkel θ\theta gedreht, siehe Gl. 2.27.

Genau wie zuvor auch, können wir die Linearität ausnutzen, um U(θ)U(\theta) auf allgemeine Qubit-Zustände zu erweitern. In der folgenden Übung wirst du zeigen, dass die daraus folgende Operation U(θ)U(\theta) tatsächlich einer Rotation von Qubit-Zuständen entspricht. Konkret bedeutet das, dass U(θ)U(\theta) den Zustandsraum auf sich selbst abbildet, also eine gültige Operation ist.

Übungsaufgabe 2.3 (Qubit-Rotationen).
  1. 1.

    Berechne U(α)(ψ0ψ1)U(\alpha)\begin{pmatrix}\psi_{0}\\ \psi_{1}\end{pmatrix} mit Gl. 2.8 und 2.27.

  2. 2.

    Nutze die Definition von |ψ(θ)\left|\psi(\theta)\right\rangle aus Gl. 2.5 um zu prüfen, dass für alle Winkel α\alpha und β\beta folgendes gilt:

    U(α)|ψ(β)=|ψ(α+β).U(\alpha)\left|\psi(\beta)\right\rangle=\left|\psi(\alpha+\beta)\right\rangle. (2.29)

    Das bedeutet, dass U(θ)U(\theta) eine Rotation auf beliebigen Qubit-Zuständen entspricht.

Hinweis: Die trigonometrischen Regeln für Winkelsummen und -differenzen könnten hilfreich sein:

sin(α±β)=sinαcosβ±cosαsinβ,cos(α±β)=cosαcosβsinαsinβ.\sin(\alpha\pm\beta)=\sin\alpha\cos\beta\pm\cos\alpha\sin\beta,\qquad\cos(% \alpha\pm\beta)=\cos\alpha\cos\beta\mp\sin\alpha\sin\beta. (2.30)
Lösung.
  1. 1.

    U(α)U(\alpha) wirkt sich wie folgt auf einen beliebigen Zustand aus:

    U(α)(ψ0ψ1)\displaystyle U(\alpha)\begin{pmatrix}\psi_{0}\\ \psi_{1}\end{pmatrix} =U(α)(ψ0(10)+ψ1(01))=ψ0(cosαsinα)+ψ1(sinαcosα)\displaystyle=U(\alpha)\left\lparen\psi_{0}\begin{pmatrix}1\\ 0\end{pmatrix}+\psi_{1}\begin{pmatrix}0\\ 1\end{pmatrix}\right\rparen=\psi_{0}\begin{pmatrix}\cos\alpha\\ \sin\alpha\end{pmatrix}+\psi_{1}\begin{pmatrix}-\sin\alpha\\ \cos\alpha\end{pmatrix}
    =(ψ0cosαψ1sinαψ0sinα+ψ1cosα).\displaystyle=\begin{pmatrix}\psi_{0}\cos\alpha-\psi_{1}\sin\alpha\\ \psi_{0}\sin\alpha+\psi_{1}\cos\alpha\end{pmatrix}.
  2. 2.

    Da |ψ(β)=(cosβsinβ)\left|\psi(\beta)\right\rangle=\begin{pmatrix}\cos\beta\\ \sin\beta\end{pmatrix},

    U(α)|ψ(β)\displaystyle U(\alpha)\left|\psi(\beta)\right\rangle =U(α)(cosβsinβ)=(cosβcosαsinβsinαcosβsinα+sinβcosα)=(cos(α+β)sin(α+β))\displaystyle=U(\alpha)\begin{pmatrix}\cos\beta\\ \sin\beta\end{pmatrix}=\begin{pmatrix}\cos\beta\cos\alpha-\sin\beta\sin\alpha% \\ \cos\beta\sin\alpha+\sin\beta\cos\alpha\end{pmatrix}=\begin{pmatrix}\cos(% \alpha+\beta)\\ \sin(\alpha+\beta)\end{pmatrix}
    =|ψ(α+β).\displaystyle=\left|\psi(\alpha+\beta)\right\rangle.

Beachte dass eine Rotation um 90 Grad (also π/2\pi/2) nicht einer Spiegelung entspricht. Zwar bilden sowohl die NOT\mathrm{NOT}-Operation als auch U(π/2)U(\pi/2) den Zustand |0\left|0\right\rangle auf |1\left|1\right\rangle ab, aber auf |1\left|1\right\rangle haben sie unterschiedliche Wirkungen:

NOT|1=|0,U(π/2)|1=|0.\mathrm{NOT}\left|1\right\rangle=\left|0\right\rangle,\qquad U(\pi/2)\left|1% \right\rangle=-\left|0\right\rangle.

Wie können wir eine solche Rotation in Quirky ausführen? Da es unendlich viele Rotationen U(θ)U(\theta) gibt, können nicht alle in der Toolbox enthalten sein. Stattdessen kannst du die Rotationen, die du benötigst, selbst in die Toolbox hinzufügen! Probier doch einfach mal, eine Rotation um 3030^{\circ} hinzuzufügen. Tippe zunächst auf ‘Make U(θ)U(\theta)’ im Menü. Ein neues Fenster mit einem Eingabefeld für den Winkel sollte sich öffnen:

[Uncaptioned image]

Gib pi/6, was 3030^{\circ} entspricht, ein und bestätige mit der OK-Taste. Glückwunsch! Du hast erfolgreich die U(π/6)U(\pi/6)-Rotation in die Toolbox hinzugefügt, welche jetzt so aussieht:

[Uncaptioned image]

Die neue Rotation können wir mit folgendem Schaltkreis erst einmal in Quirky testen:

[Uncaptioned image]

Lass uns noch schnell überprüfen, ob diese Ausgabe Sinn ergibt. Wir haben mit dem |0=(10)\left|0\right\rangle=\bigl{(}\begin{smallmatrix}1\\ 0\end{smallmatrix}\bigr{)} Zustand gestartet. Nach Gl. 2.28 bildet U(θ)U(\theta) den Zustand |0\left|0\right\rangle auf |ψ(θ)=(cos(θ)sin(θ))\left|\psi(\theta)\right\rangle=\bigl{(}\begin{smallmatrix}\cos(\theta)\\ \sin(\theta)\end{smallmatrix}\bigr{)} ab. Für unseren Fall gilt θ=π/6\theta=\pi/6 und damit

|ψ(π/6)=(cos(π/6)sin(π/6))=(3/21/2).\displaystyle\left|\psi(\pi/6)\right\rangle=\begin{pmatrix}\cos(\pi/6)\\ \sin(\pi/6)\end{pmatrix}=\begin{pmatrix}\sqrt{3}/2\\ 1/2\end{pmatrix}.

Nach den Regeln der Quantenmessung aus Gl. 2.7 können wir schließen, dass die Wahrscheinlichkeit für das Ergebnis 11 wie folgt ist

p1=(12)2=14=25%,\displaystyle p_{1}=\left\lparen\frac{1}{2}\right\rparen^{2}=\frac{1}{4}=25\%,

was genau der Ausgabe von Quirky entspricht. In der folgenden Hausaufgabe wirst du Quirky nutzen um den Effekt von U(θ)U(\theta) auf den anderen Basisvektor |1\left|1\right\rangle herauszufinden.

Hausaufgabe 2.3 (Die 3030^{\circ}-Rotation testen).
  1. 1.

    Baue folgende Abfolge von Operationen in Quirky: Bereite zunächst den Zustand |1\left|1\right\rangle vor, rotiere dann um den Winkel π/6\pi/6 und messe schlussendlich das Qubit.

  2. 2.

    Nutze Quirky’s Wahrscheinlichkeitenanzeige um die Ergebnisse der Messung anzuzeigen. Zeige, dass die Ausgabe von Quirky korrekt ist.

  3. 3.

    Verändere deinen Schaltkreis so, dass man mit Wahrscheinlichkeit 42% das Messergebnis 1 erhält.

Hack.
  1. 1.

    The resulting circuit in Quirky should look like this:

    [Uncaptioned image]

  2. 2.

    We start in the state |0\left|0\right\rangle, as shown in the circuit above. After applying the NOT operation, the state of the qubit is |1\left|1\right\rangle. We now use Gl. 2.28, which tells us that the rotation sends |1\left|1\right\rangle to

    U(π/6)|1=(sinπ6cosπ6)=(1/23/2).\displaystyle U(\pi/6)\left|1\right\rangle=\begin{pmatrix}-\sin\frac{\pi}{6}\\ \cos\frac{\pi}{6}\end{pmatrix}=\begin{pmatrix}-1/2\\ \sqrt{3}/2\end{pmatrix}.

    Using Gl. 2.6, we verify that p1=3/4=75%p_{1}=3/4=75\%, which agrees with Quirky’s output.

  3. 3.

    We will replace the operation U(π/6)U(\pi/6) by another rotation U(ϕ)U(\phi), such that the probability of measuring 11 becomes 42%42\%. To that end, observe that after applying a rotation by an angle of ϕ\phi, the resulting state is:

    U(ϕ)|1=(sinϕcosϕ).U(\phi)\left|1\right\rangle=\begin{pmatrix}-\sin\phi\\ \cos\phi\end{pmatrix}.

    Hence the probability of measuring 11 is cos2ϕ\cos^{2}\phi. Equating this to 42%42\% allows us to solve for the angle of rotation ϕ\phi:

    cos2(ϕ)=0.42,implyingcos(ϕ)=0.42orϕ=arccos(0.42)0.866.\cos^{2}(\phi)=0.42,\quad\text{implying}\quad\cos(\phi)=\sqrt{0.42}\quad\text{% or}\quad\phi=\arccos(\sqrt{0.42})\approx 0.866.

    Hence, the resulting circuit looks like this:

    [Uncaptioned image]