2.4 Operationen auf einem Qubit

Ein Qubit im Ursprungszustand zu messen ist relativ langweilig, wir wissen ja in welchem Zustand es sich befindet. Aber was für Operationen können wir auf ein Qubit anwenden um den Zustand zu verändern? Wir wollen also aus dem Zustand |0\left|0\right\rangle durch eine Operation den Zustand |ψ(θ)\left|\psi(\theta)\right\rangle erzeugen. Wie auch immer die Operation aussieht, sie sollte auf jeden Fall wieder in einem gültigen Zustand resultieren, also den Zustandsraum auf sich selbst abbilden. In Abb. 2.1 hatten wir gesehen, dass der Zustandsraum eines Qubits dem Einheitskreis entspricht, also müssen wir Operationen finden, die diesen Kreis auf sich selbst abbilden.

Lass uns zu Beginn einmal die NOT\mathrm{NOT}-Operation anschauen, die wir wie in Gl. 1.17 für probabilistische Bits definieren können:

NOT|0=|1,NOT|1=|0.\mathrm{NOT}\left|0\right\rangle=\left|1\right\rangle,\qquad\mathrm{NOT}\left|% 1\right\rangle=\left|0\right\rangle.

Wie können wir NOT\mathrm{NOT} auf beliebige Qubit Zustände erweitern? Genau wie für probabilistische Bits in Abschnitt 1.2.1 nutzen wir das Konzept der Linearität. Wenn die Operation MM auf |0\left|0\right\rangle und |1\left|1\right\rangle definiert ist, können wir sie auf einem beliebigen Zustand definieren als

M(ψ0|0+ψ1|1)=ψ0M|0+ψ1M|1.\displaystyle M\Big{\lparen}\psi_{0}\left|0\right\rangle+\psi_{1}\left|1\right% \rangle\Big{\rparen}=\psi_{0}\,M\left|0\right\rangle+\psi_{1}\,M\left|1\right\rangle. (2.8)

Wir können Gl. 2.8 auch in der Vektornotation ausschreiben:

M(ψ0ψ1)=M(ψ0(10)+ψ1(01))=ψ0M(10)+ψ1M(01).\displaystyle M\begin{pmatrix}\psi_{0}\\ \psi_{1}\end{pmatrix}=M\Bigg{\lparen}\psi_{0}\begin{pmatrix}1\\ 0\end{pmatrix}+\psi_{1}\begin{pmatrix}0\\ 1\end{pmatrix}\Bigg{\rparen}=\psi_{0}\,M\begin{pmatrix}1\\ 0\end{pmatrix}+\psi_{1}\,M\begin{pmatrix}0\\ 1\end{pmatrix}. (2.19)

Wie wir schon bemerkt hatten, wird eine Operation, die diese Eigenschaft erfüllt, linear genannt und eine Operation auf diese Weise zu erweitern nennt man erweitern durch Linearität. Wenn wir also wissen, das MM linear ist und wie MM sich auf |0\left|0\right\rangle und |1\left|1\right\rangle auswirkt, können wir herleiten wie sich MM auf beliebige Zustände auswirkt!

In Gl. 2.8 haben wir nur die Vektoren |0\left|0\right\rangle und |1\left|1\right\rangle betrachtet. Im Allgemeinen gilt sogar

M(a|ψ+b|ϕ)=aM|ψ+bM|ϕ\displaystyle M\Big{\lparen}a\left|\psi\right\rangle+b\left|\phi\right\rangle% \Big{\rparen}=a\,M\left|\psi\right\rangle+b\,M\left|\phi\right\rangle (2.20)

für beliebige Vektoren |ψ\left|\psi\right\rangle, |ϕ\left|\phi\right\rangle und Zahlen aa, bb. Verstehst du, wie Gl. 2.20 aus Gl. 2.8 folgt?

Die Gesetze der Quantenmechanik garantieren, dass jede lineare Operation MM eine Qubit Operation ist – solange sie den Qubit Zustandsraum auf sich selbst abbildet! Das soll heißen, dass jeder Zustand eines Qubits (Punkt auf dem Kreis) auf einen anderen Zustand (Punkt auf dem Kreis) abgebildet wird.

Im Falle der NOT\mathrm{NOT}-Operation erhält man nach erweitern durch Linearität

NOT(ψ0|0+ψ1|1)=ψ0|1+ψ1|0,oderNOT(ψ0ψ1)=(ψ1ψ0).\displaystyle\mathrm{NOT}\Big{\lparen}\psi_{0}\left|0\right\rangle+\psi_{1}% \left|1\right\rangle\Big{\rparen}=\psi_{0}\left|1\right\rangle+\psi_{1}\left|0% \right\rangle,\quad\text{oder}\quad\mathrm{NOT}\begin{pmatrix}\psi_{0}\\ \psi_{1}\end{pmatrix}=\begin{pmatrix}\psi_{1}\\ \psi_{0}\end{pmatrix}. (2.25)

Bemerke, dass Gl. 2.8, 2.19 und 2.25 genau wie Gl. 1.26 und 1.22 aussehen – nur das ψ0\psi_{0} und ψ1\psi_{1} jetzt auch negativ sein können. Auf Abb. 2.2 bezogen, stellt die NOT\mathrm{NOT}-Operation eine Spiegelung an der 45-Grad-Achse dar (das gilt auch für probabilistische Bits). In Abb. 2.4 ist die Operation grafisch dargestellt. Offensichtlich bildet die NOT\mathrm{NOT}-Operation den Zustandsraum (Einheitskreis) auf sich selbst ab, ist also eine gültige Quanten-Operation.

Abbildung 2.4: Die NOTNOT-Operation auf Qubits, definiert in Gl. 2.25, entspricht einer Spiegelung an der 45 Grad (oder π/4\pi/4) Achse (gestrichelt).

In Quirky sieht die NOT\mathrm{NOT}-Operation auf Qubits genau wie die klassische Version aus, also so: \bigoplus. Probier mal, die folgende Schaltung zu bauen:

[Uncaptioned image]

Jetzt scheint das Messergebnis mit einer Wahrscheinlichkeit von 100% ‘Eins’ zu sein. Tatsächlich wird also der ursprüngliche |0\left|0\right\rangle Zustand durch die NOT\mathrm{NOT}-Operation zu |1\left|1\right\rangle verändert, sodass das Ergebnis nach den Regeln der Messung aus Gl. 1.32 immer ‘Eins’ sein muss.


Wir können auch andere Qubit-Operationen definieren, indem wir Spiegelungen an anderen Achsen betrachten. Beispielsweise entspricht die Z-Operation, definiert durch

Z|0=|0,Z|1=|1,Z\left|0\right\rangle=\left|0\right\rangle,\qquad Z\left|1\right\rangle=-\left% |1\right\rangle, (2.26)

einer Spiegelung an der horizontalen |0\left|0\right\rangle-Achse. Wenn wir Z durch Linearität erweitern, erhalten wir tatsächlich

Z(ψ0ψ1)=(ψ0ψ1),\displaystyle Z\begin{pmatrix}\psi_{0}\\ \psi_{1}\end{pmatrix}=\begin{pmatrix}\psi_{0}\\ -\psi_{1}\end{pmatrix},

was offensichtlich Qubit-Zustände auf Qubit-Zustände abbildet.

Hausaufgabe 2.2 (Die Z-Operation).

Betrachte folgende zwei Qubit Zustände:

|+\displaystyle\left|+\right\rangle =|0+|12,\displaystyle=\frac{\left|0\right\rangle+\left|1\right\rangle}{\sqrt{2}}, |\displaystyle\left|-\right\rangle =|0|12.\displaystyle=\frac{\left|0\right\rangle-\left|1\right\rangle}{\sqrt{2}}.
  1. 1.

    Berechne Z|+Z\left|+\right\rangle und Z|Z\left|-\right\rangle.

  2. 2.

    Stelle die ZZ-Operation grafisch auf dem Einheitskreis dar, wie in Abb. 2.4.

Hack.
  1. 1.

    ZZ acts on the |+\left|+\right\rangle state as follows:

    Z|+=Z(12|0+12|1)=12Z|0+12Z|1=12|012|1=|,\displaystyle Z\left|+\right\rangle=Z\Bigg{\lparen}\frac{1}{\sqrt{2}}\left|0% \right\rangle+\frac{1}{\sqrt{2}}\left|1\right\rangle\Bigg{\rparen}=\frac{1}{% \sqrt{2}}Z\left|0\right\rangle+\frac{1}{\sqrt{2}}Z\left|1\right\rangle=\frac{1% }{\sqrt{2}}\left|0\right\rangle-\frac{1}{\sqrt{2}}\left|1\right\rangle=\left|-% \right\rangle,

    and similarly Z|=|+Z\left|-\right\rangle=\left|+\right\rangle.

  2. 2.

    ZZ acts as a reflection about the horizontal |0\left|0\right\rangle-axis!

Übungsaufgabe 2.2 (Linearität genügt nicht).

Betrachte die MAD\mathrm{MAD}-Operation, indem du MAD|0=|0\mathrm{MAD}\left|0\right\rangle=\left|0\right\rangle und MAD|1=12(|0+|1)\mathrm{MAD}\left|1\right\rangle=\frac{1}{\sqrt{2}}\left(\left|0\right\rangle+% \left|1\right\rangle\right) durch Linearität erweiterst. Suche einen Qubit Zustand |ψ\left|\psi\right\rangle, sodass MAD|ψ\mathrm{MAD}\left|\psi\right\rangle kein gültiger Qubit-Zustand ist. Zeige also, dass MAD\mathrm{MAD} keine gültige Operation auf Qubits ist!

Lösung. Sei |ψ=12(|0+|1)\left|\psi\right\rangle=\frac{1}{\sqrt{2}}\left(\left|0\right\rangle+\left|1% \right\rangle\right) ein gültiger Quantenzustand. Da MADMAD aus erweitern durch Linearität entsteht, impliziert Gl. 2.8, dass
MAD|ψ\displaystyle\mathrm{MAD}\left|\psi\right\rangle =MAD(12|0+12|1)=12MAD|0+12MAD|1\displaystyle=\mathrm{MAD}\Bigg{\lparen}\frac{1}{\sqrt{2}}\left|0\right\rangle% +\frac{1}{\sqrt{2}}\left|1\right\rangle\Bigg{\rparen}=\frac{1}{\sqrt{2}}% \mathrm{MAD}\left|0\right\rangle+\frac{1}{\sqrt{2}}\mathrm{MAD}\left|1\right\rangle
=12|0+12(|0+|1)=(12+12)|0+12|1.\displaystyle=\frac{1}{\sqrt{2}}\left|0\right\rangle+\frac{1}{2}\left(\left|0% \right\rangle+\left|1\right\rangle\right)=\left(\frac{1}{\sqrt{2}}+\frac{1}{2}% \right)\left|0\right\rangle+\frac{1}{2}\left|1\right\rangle.
Aber
(12+12)2+(12)2=1+121,\displaystyle\left(\frac{1}{\sqrt{2}}+\frac{1}{2}\right)^{2}+\left(\frac{1}{2}% \right)^{2}=1+\frac{1}{\sqrt{2}}\neq 1,
also ist MAD|ψ\mathrm{MAD}\left|\psi\right\rangle kein gültiger Quantenzustand.