3.1.4 Der Zustand des anderen Bit

Nachdem ein Bit gemessen wurde, befindet sich dieses in dem entsprechenden deterministischen Zustand (genau, wie bei der Messung eines einzelnen Bits in Gl. 1.32). Aber was ist mit dem anderen Bit, das nicht gemessen wurde? Im Allgemeinen befindet sich dieses nicht in einem deterministischen Zustand. Wenn zum Beispiel im Zustand

12[10]+12[11]\frac{1}{2}[10]+\frac{1}{2}[11] (3.15)

das erste Bit gemessen wird, erhält man mit Wahrscheinlichkeit 1/2+1/2=11/2+1/2=1 das Ergebnis 11. Mit anderen Worten, das erste Bit im Zustand aus Gl. 3.15 ist deterministisch, die Wahrscheinlichkeiten beschreiben also nur das zweite Bit. Du kannst dir diesen Zustand also als “Kombination” der beiden getrennten Zustände [1][1] und 12[0]+12[1]\frac{1}{2}[0]+\frac{1}{2}[1] vorstellen (in Abschnitt 3.1.7 werden wir uns näher mit dem Kombinieren von probabilistischen Bits beschäftigen). Daher ist es nur logisch, dass das zweite Bit sich nach der Messung in einer Gleichverteilung befindet, also im Zustand

12[0]+12[1].\frac{1}{2}[0]+\frac{1}{2}[1].

Im Allgemeinen starten wir mit zwei probabilistischen Bits in einem beliebigen Zustand

p00[00]+p01[01]+p10[10]+p11[11]\displaystyle p_{00}[00]+p_{01}[01]+p_{10}[10]+p_{11}[11] (3.16)

und messen das erste Bit. Dann wird der Zustand des anderen Bits vom Ergebnis der Messung abhängen. Wenn das Messergebnis beispielsweise 11 war, betrachten wir wieder alle Terme aus Gl. 3.16, in denen das erste Bit den Zustand 11 hat:

p10[10]+p11[11].p_{10}[10]+p_{11}[11].

Dann ignorieren wir das erste Bit, da wir bereits wissen, dass es den Wert 11 hat:

p10[0]+p11[1].p_{10}[0]+p_{11}[1].

Und schließlich, da die Summe dieser Wahrscheinlichkeiten nicht zwingend 11 ergibt, teilen wir sie durch ihre Summe p10+p11p_{10}+p_{11}:

p10p10+p11[0]+p11p10+p11[1].\frac{p_{10}}{p_{10}+p_{11}}[0]+\frac{p_{11}}{p_{10}+p_{11}}[1]. (3.17)

Das ist die Wahrscheinlichkeitsverteilung des zweiten Bits, wenn die Messung des ersten Bits 11 ergeben hat (siehe rechts in Abb. 3.3). Die übrigen Fälle sind auch in Abb. 3.3 zusammengefasst.

Refer to caption
Abbildung 3.3: Wahrscheinlichkeiten der Ergebnisse und die korrespondierenden Zustände des übrigen Bits, nachdem eines von zwei probabilistischen Bits gemessen wurde. Nach der Messung ist das gemessene Bit deterministisch (grau) während das andere probabilistisch bleibt (hellblau).

Um diese Regeln besser zu verstehen, zeigen wir, dass es keinen Unterschied macht, ob man beide Bits gleichzeitig misst oder zunächst das eine und anschließend das andere. So sollte die Wahrscheinlichkeit, 11 vom ersten Bit und 0 vom zweiten Bit zu erhalten einfach p10p_{10} sein. Tatsächlich erhalten wir das Ergebnis 11 beim messen des ersten Bits laut Gl. 3.14 mit Wahrscheinlichkeit p10+p11p_{10}+p_{11} und mit diesem Ergebnis muss laut Gl. 3.17 die Messung des zweiten Bits 0 mit Wahrscheinlichkeit p10/(p10+p11)p_{10}/(p_{10}+p_{11}) ergeben. Damit ist die Gesamtwahrscheinlichkeit für den Fall, dass wir zunächst 11 vom ersten und anschließend 0 vom zweiten Bit erhalten

(p10+p11)×p10p10+p11=p10,\displaystyle\left(p_{10}+p_{11}\right)\times\frac{p_{10}}{p_{10}+p_{11}}=p_{1% 0},

was genau dem erwarteten Ergebnis aus Gl. 3.4 entspricht. Die anderen Fälle können analog überprüft werden.

Übungsaufgabe 3.2 (Alice’ Münze erraten).

Problem: Alice ist im Besitz von drei Münzen u,q,ru,q,r mit den folgenden Verteilungen:

u=(1/21/2),\displaystyle u=\begin{pmatrix}1/2\\ 1/2\end{pmatrix}, q=(3/41/4),\displaystyle q=\begin{pmatrix}3/4\\ 1/4\end{pmatrix}, r=(1/32/3).\displaystyle r=\begin{pmatrix}1/3\\ 2/3\end{pmatrix}.

Sie führt nun die folgende Sequenz von Würfen durch:

  1. 1.

    Sie wirft die Münze uu.

  2. 2.

    Je nach Ergebnis wirft sie eine der anderen beiden Münzen:

    1. (0)

      wenn uu das Ergebnis 0 hatte, wirft sie qq;

    2. (1)

      wenn uu das Ergebnis 11 hatte, wirft sie rr.

  3. 3.

    Alice erzählt Bob das Ergebnis (0 oder 11) des zweiten Münzwurfs (aber nicht, ob es das Ergebnis von qq oder rr ist).

Diese Situation besteht aus zwei probabilistischen Bits: Alice’ erster Münzwurf und Alice’ zweiter Münzwurf (der auch Bob’s probabilistischem Bit entspricht).

Fragen:

  1. 1.

    Was ist die Wahrscheinlichkeitsverteilung der beiden Würfe von Alice?

  2. 2.

    Was ist die Verteilung, wenn Bob sein probabilistisches Bit misst?

  3. 3.

    Wenn Bob sein Bit misst und als Ergebnis 0 erhält, ist es dann wahrscheinlicher, dass erste Münze 0 oder 11 war? Was wenn er 11 misst?

Lösung.
  1. 1.

    Wir bezeichnen mit pp die Wahrscheinlichkeitsverteilung von Alices zwei Münzwürfen. Wir benutzen Abb. 3.3 um die Wahrscheinlichkeiten zu bestimmen. Wir wissen, dass der erste Münzwurf von Alice verteilt ist nach uu, was bedeutet, dass wenn wir das erste Bit messen, wir jedes Bit mit Wahrscheinlichkeit je 1/21/2 erhalten sollten:

    p00+p01=12,p10+p11=12.\displaystyle p_{00}+p_{01}=\frac{1}{2},\quad p_{10}+p_{11}=\frac{1}{2}.

    Wenn der erste Münzwurf eine 0 ergab, dass sollte der Zustand des zweiten Bits beschrieben werten durch die Münze qq. D.h., wir müssen haben:

    p00[0]+p01[1]p00+p01=34[0]+14[1],\displaystyle\frac{p_{00}[0]+p_{01}[1]}{p_{00}+p_{01}}=\frac{3}{4}[0]+\frac{1}% {4}[1],

    Davon können wir ableiten, dass p00=38p_{00}=\frac{3}{8} and p01=18p_{01}=\frac{1}{8}. Analog dazu gilt: Wenn der erste Münzwurf eine 11 war, dann wird der Zustand des zweiten Bits beschrieben durch die Münze rr, also

    p10[0]+p11[1]p00+p01=13[0]+23[1],\displaystyle\frac{p_{10}[0]+p_{11}[1]}{p_{00}+p_{01}}=\frac{1}{3}[0]+\frac{2}% {3}[1],

    ergo p10=16p_{10}=\frac{1}{6} and p11=26p_{11}=\frac{2}{6}. Zusammen gilt:

    p=38[00]+18[01]+16[10]+26[11],\displaystyle p=\frac{3}{8}[00]+\frac{1}{8}[01]+\frac{1}{6}[10]+\frac{2}{6}[11],
  2. 2.

    Der Wert von Bob’s Bit ist der Gleiche wie das Ergebnis von Alices zweitem Münzwurf, also folgen wir einfach Abb. 3.3 um die Wahrscheinlichkeit der Ergebnisse zu bestimmen, wenn wir das zweite Bit messen. Die Wahrscheinlichkeit, dass Bobs Ausgabe 0 ist, ist also

    p00+p10=38+16=1324\displaystyle p_{00}+p_{10}=\frac{3}{8}+\frac{1}{6}=\frac{13}{24}

    und die Wahrscheinlichkeit, dass seine Ausgabe 11 ist, ist 11324=11241-\frac{13}{24}=\frac{11}{24}. Wir können dies durch die folgende Zufallsverteilung beschreiben:

    1324[0]+1124[1].\displaystyle\frac{13}{24}[0]+\frac{11}{24}[1].
  3. 3.

    Wir benutzen wieder Abb. 3.3. Wenn das zweite Bit gemessen wird und das Ergebnis 0 ist, dann ist der Zustand des ersten Bits gegeben durch

    p00[0]+p10[1]p00+p10=913[0]+413[1].\displaystyle\frac{p_{00}[0]+p_{10}[1]}{p_{00}+p_{10}}=\frac{9}{13}[0]+\frac{4% }{13}[1].

    Es ist also wahrscheinlicher, dass Alices erster Münzwurf das Ergebnis 0 zeigt.

    Analog dazu, wenn das Ergebnis vom Messen des zweiten Bits 11 ist, dann wird der Zustand des erstens Bits beschrieben durch

    p01[0]+p11[1]p01+p11=311[0]+811[1].\displaystyle\frac{p_{01}[0]+p_{11}[1]}{p_{01}+p_{11}}=\frac{3}{11}[0]+\frac{8% }{11}[1].

    In diesem Fall ist es wahrscheinlicher, dass Alices erster Münzwurf 11 ist.