4.1.2 Operationen

Welche Quantenoperationen können wir auf mehreren Qubits durchführen? Einerseits können wir jede in Abschnitte 2 und 3 besprochene Ein-Qubit- oder Zwei-Qubit-Operation auf alle ausgewählten Qubits eines Zustands mit vielen Qubits anwenden. Das funktioniert genauso, wie in Abschnitt 3.2.2.

Wenn beispielsweise UU eine Operation auf einem Qubit ist, also eine Drehung oder Spiegelung, dann können wir eine Quantenoperation  U1U_{1} definieren, die der Anwendung von  UU auf das erste Qubit eines nn-Qubit-Zustands entspricht. Diese Operation ist wie folgt auf den Basiszuständen definiert:

U1|a1,,an=U|a1|a2,,an.\displaystyle U_{1}\left|a_{1},\dots,a_{n}\right\rangle=U\left|a_{1}\right% \rangle\otimes\left|a_{2},\dots,a_{n}\right\rangle.

Beachte dabei, dass das Tensorprodukt den Ein-Qubit-Zustand U|a1U\left|a_{1}\right\rangle mit dem (n1)(n-1)-Qubit-Basiszustand  |a2,,an\left|a_{2},\dots,a_{n}\right\rangle kombiniert und so einen nn-Qubit-Zustand bildet, wie wir beabsichtigt hatten. Wie sonst auch, erweitern wir U1U_{1} durch Linearität auf allgemeine Quantenzustände mit nn Qubits. Genauso definieren wir  U2U_{2}, U3U_{3}, usw. , die der Anwendung von UU auf das zweite, dritte, usw. Qubit entsprechen.

Übungsaufgabe 4.2 (Eine Ein-Qubit-Operation anwenden).

Berechne das Ergebnis der Anwendung der Hadamard-Operation auf das zweite Qubit des Drei-Qubit-Zustands |Φ+|1\left|\Phi^{+}\right\rangle\otimes\left|1\right\rangle. Anders gesagt, berechne H2(|Φ+|1)H_{2}\left(\left|\Phi^{+}\right\rangle\otimes\left|1\right\rangle\right). Schreibe dein Ergebnis in der Form aus Gl. 4.1.

Lösung. Lass uns zunächst den Produktzustand in die Form von Gl. 4.2 erweitern:
|Φ+|1=12|001+12|111.\displaystyle\left|\Phi^{+}\right\rangle\otimes\left|1\right\rangle=\frac{1}{% \sqrt{2}}\left|001\right\rangle+\frac{1}{\sqrt{2}}\left|111\right\rangle.
Daraus folgt:
H2(|Φ+|1)=H2(12|001+12|111)=12H2|001+12H2|111\displaystyle\quad H_{2}\left(\left|\Phi^{+}\right\rangle\otimes\left|1\right% \rangle\right)=H_{2}\left(\frac{1}{\sqrt{2}}\left|001\right\rangle+\frac{1}{% \sqrt{2}}\left|111\right\rangle\right)=\frac{1}{\sqrt{2}}H_{2}\left|001\right% \rangle+\frac{1}{\sqrt{2}}H_{2}\left|111\right\rangle
=12|0H|0|1+12|1H|1|1\displaystyle=\frac{1}{\sqrt{2}}\left|0\right\rangle\otimes H\left|0\right% \rangle\otimes\left|1\right\rangle+\frac{1}{\sqrt{2}}\left|1\right\rangle% \otimes H\left|1\right\rangle\otimes\left|1\right\rangle
=12|0|+|1+12|1||1\displaystyle=\frac{1}{\sqrt{2}}\left|0\right\rangle\otimes\left|+\right% \rangle\otimes\left|1\right\rangle+\frac{1}{\sqrt{2}}\left|1\right\rangle% \otimes\left|-\right\rangle\otimes\left|1\right\rangle
=12|0(12|0+12|1)|1+12|1(12|012|1)|1\displaystyle=\frac{1}{\sqrt{2}}\left|0\right\rangle\otimes\left(\frac{1}{% \sqrt{2}}\left|0\right\rangle+\frac{1}{\sqrt{2}}\left|1\right\rangle\right)% \otimes\left|1\right\rangle\;+\;\frac{1}{\sqrt{2}}\left|1\right\rangle\otimes% \left(\frac{1}{\sqrt{2}}\left|0\right\rangle-\frac{1}{\sqrt{2}}\left|1\right% \rangle\right)\otimes\left|1\right\rangle
=12|001+12|011+12|10112|111,\displaystyle=\frac{1}{2}\left|001\right\rangle+\frac{1}{2}\left|011\right% \rangle+\frac{1}{2}\left|101\right\rangle-\frac{1}{2}\left|111\right\rangle,
wobei wir Gl. 2.34 genutzt haben, um das HH auf die Basiszustände anzuwenden

Auf ähnliche Weise können wir herausfinden, wie eine Zwei-Qubit-Operation auf zwei ausgewählte Qubits eines nn-Qubit-Zustands angewendet werden kann. Hauptsächlich interessieren uns kontrollierte-NOT-Operationen: CNOTkl\mathrm{CNOT}_{k\to l} mit klk\neq l ist die Operation, die das ll-te Qubit (das Ziel-Qubit) abhängig vom kk-ten Qubit (dem Steuer-Qubit) flippt. Mathematisch gesehen, wirkt sich die Operation wie folgt auf die Basiszustände aus:

CNOTkl|a1,,al,,an=|a1,,alak,,an,\displaystyle\mathrm{CNOT}_{k\to l}\left|a_{1},\dots,a_{l},\dots,a_{n}\right% \rangle=\left|a_{1},\dots,a_{l}\oplus a_{k},\dots,a_{n}\right\rangle,

und wir können diese Formel durch Linearität auf beliebige nn-Qubit-Zustände erweitern. Beispielsweise ist die kontrollierte-NOT-Operation CNOT13\mathrm{CNOT}_{1\to 3} wie folgt auf Vier-Qubit-Basiszuständen definiert:

CNOT13|a1,a2,a3,a4=|a1,a2,a3a1,a4.\displaystyle\mathrm{CNOT}_{1\to 3}\left|a_{1},a_{2},a_{3},a_{4}\right\rangle=% \left|a_{1},a_{2},a_{3}\oplus a_{1},a_{4}\right\rangle.

Wie schaut das ganze in Quirky aus? Lass uns zu

https://www.quantum-quest.org/quirky

gehen und auf “Quest 4” klicken, um das herauszufinden. Dein Browser zeigt dann ein Bild ähnlich zu Abb. 4.1.

Refer to caption

Abbildung 4.1: Quirky für Quest 4.

Moment mal, Quirky sieht doch genau wie letzte Woche aus?! Wenn du allerdings eine Operation aus der Toolbox nimmst, erscheint ein neuer Draht – also ein neues Qubit. (Natürlich ist die Anzahl der Qubits so beschränkt, dass dein Browser nicht überfordert wird!) Warum versuchst du nicht mal, die CNOT13\mathrm{CNOT}_{1\to 3}-Operation wie im folgenden Bild zu erstellen?

[Uncaptioned image]

Wenn Quantenoperationen sich auf unterschiedliche Qubits auswirken, können wir sie parallel durchführen. Wie auch in Abschnitt 3.2.3 verwenden wir hierfür das Symbol des Tensorprodukts. Wenn UU eine Quantenoperation auf nn Qubits, und VV eine Quantenoperation auf mm Qubits ist, dann können wir eine Quantenoperation UVU\otimes V auf n+mn+m Qubits definieren, welche der parallelen Ausführung beider Operationen entspricht. Auf den Basiszuständen gilt,

(UV)|a1,,an,b1,,bm=U|a1,,anV|b1,,bm,\displaystyle(U\otimes V)\left|a_{1},\dots,a_{n},b_{1},\dots,b_{m}\right% \rangle=U\left|a_{1},\dots,a_{n}\right\rangle\otimes V\left|b_{1},\dots,b_{m}% \right\rangle, (4.5)

was wir wieder durch Linearität auf allgemeine Zustände erweitern können. Aus Gl. 4.5 folgt dann

(UV)(|α|β)=U|αV|β,\displaystyle(U\otimes V)(\left|\alpha\right\rangle\otimes\left|\beta\right% \rangle)=U\left|\alpha\right\rangle\otimes V\left|\beta\right\rangle,

aber nur, wenn |α\left|\alpha\right\rangle ein nn-Qubit-Zustand und |β\left|\beta\right\rangle ein mm-Qubit-Zustand ist! In der folgenden Übung passen die Tensorprodukte nicht so aufeinander, weswegen du diese Regel dort nicht verwenden kannst!

Übungsaufgabe 4.3 (Versetzte Tensorprodukte).

Betrachte den Drei-Qubit-Zustand (CNOT21I)(|0|Φ)(\mathrm{CNOT}_{2\to 1}\otimes I)(\left|0\right\rangle\otimes\left|\Phi^{-}% \right\rangle).

  1. 1.

    Wie kannst du diesen Zustand mit Quirky erstellen?

  2. 2.

    Schreibe den Zustand in der Form aus Gl. 4.1.

Lösung.
  1. 1.

    In 3.12 haben wir gesehen, wie man |Φ\left|\Phi^{-}\right\rangle herstellt. Daher funktioniert der folgende Schaltkreis:

    [Uncaptioned image]

  2. 2.

    Hier ist der resultierende Zustand:

    (CNOT21I)(|0|Φ)\displaystyle(\mathrm{CNOT}_{2\to 1}\otimes I)(\left|0\right\rangle\otimes% \left|\Phi^{-}\right\rangle) =(CNOT21I)(12|00012|011)\displaystyle=(\mathrm{CNOT}_{2\to 1}\otimes I)\left(\frac{1}{\sqrt{2}}\left|0% 00\right\rangle-\frac{1}{\sqrt{2}}\left|011\right\rangle\right)
    =12|00012|111.\displaystyle=\frac{1}{\sqrt{2}}\left|000\right\rangle-\frac{1}{\sqrt{2}}\left% |111\right\rangle.

Wir können das Tensorprodukt wiederholt nutzen, um iterativ größer und größer werdende Quantenoperationen zu bauen. Hier siehst du drei Beispiele für verschiedene Anzahlen an Qubits:

  1. 1.

    IIUII\otimes I\otimes U\otimes I ist die selbe Vier-Qubit-Operation wie U3U_{3},

  2. 2.

    ICNOT12III\otimes\mathrm{CNOT}_{1\to 2}\otimes I\otimes I ist die kontrollierte-NOT-Operation CNOT23\mathrm{CNOT}_{2\to 3} für fünf Qubits,

  3. 3.

    ZIXZ\otimes I\otimes X ist die Quantenoperation, welche ZZ auf das erste Qubit, und parallel XX auf das dritte Qubit anwendet (wir könnten die Operation auch als Z1X3Z_{1}X_{3} oder X3Z1X_{3}Z_{1} schreiben).