4.1.1 Viele Quantenbits

Die Regeln, die wir bisher für ein und zwei Qubits gelernt haben, lassen sich ganz natürlich auf Quantensysteme mit vielen Qubits verallgemeinern. Zum Beispiel kann ein beliebiger Zustand von drei Qubits wie folgt geschrieben werden:

|ψ\displaystyle\left|\psi\right\rangle =ψ000|000+ψ001|001+ψ010|010+ψ011|011\displaystyle=\psi_{000}\left|000\right\rangle+\psi_{001}\left|001\right% \rangle+\psi_{010}\left|010\right\rangle+\psi_{011}\left|011\right\rangle (4.1)
+ψ100|100+ψ101|101+ψ110|110+ψ111|111,\displaystyle+\,\psi_{100}\left|100\right\rangle+\psi_{101}\left|101\right% \rangle+\psi_{110}\left|110\right\rangle+\psi_{111}\left|111\right\rangle,

wobei ψijk[1,1]\psi_{ijk}\in[-1,1] und die Quadrate dieser Amplituden sich wieder zu eins summieren, also

ψ0002+ψ0012+ψ0102+ψ0112+ψ1002+ψ1012+ψ1102+ψ1112=1.\displaystyle\psi_{000}^{2}+\psi_{001}^{2}+\psi_{010}^{2}+\psi_{011}^{2}+\psi_% {100}^{2}+\psi_{101}^{2}+\psi_{110}^{2}+\psi_{111}^{2}=1.

Insgesamt gibt es also 8=238=2^{3} Amplituden, eine für jeden Bitstring der Länge drei. Wir können auch |ψ\left|\psi\right\rangle als einen Vektor mit acht Einträgen betrachten:

|ψ=(ψ000ψ001ψ010ψ011ψ100ψ101ψ110ψ111).\displaystyle\left|\psi\right\rangle=\begin{pmatrix}\psi_{000}\\ \psi_{001}\\ \psi_{010}\\ \psi_{011}\\ \psi_{100}\\ \psi_{101}\\ \psi_{110}\\ \psi_{111}\end{pmatrix}.

Im Allgemeinen kann ein Zustand mit nn Qubits mit 2n2^{n} Amplituden ψa1,,an\psi_{a_{1},\dots,a_{n}} beschrieben werden, eine für jeden Bitstring der Länge nn:

|ψ=ψ0000|0000+ψ0001|0001++ψ1111|1111\displaystyle\left|\psi\right\rangle=\psi_{00\dots 00}\left|00\dots 00\right% \rangle+\psi_{00\dots 01}\left|00\dots 01\right\rangle+\ldots+\psi_{11\dots 11% }\left|11\dots 11\right\rangle (4.2)

Auch hier sollte jede Amplitude ψa1,,an\psi_{a_{1},\dots,a_{n}} in [1,1][-1,1] liegen und ihre Summe sollte eins ergeben:

ψ00002+ψ00012++ψ11112=1\displaystyle\psi_{00\dots 00}^{2}+\psi_{00\dots 01}^{2}+\ldots+\psi_{11\dots 1% 1}^{2}=1 (4.3)

Falls manche der Amplituden null sein sollten, können wir sie einfach weglassen. Zum Beispiel hat der fünf-Qubit Quantenzustand

12(|00000+|11111)\displaystyle\frac{1}{\sqrt{2}}\left(\left|00000\right\rangle+\left|11111% \right\rangle\right)

32 Amplituden, von denen aber 30 null sind.

Da es 2n2^{n} Amplituden gibt, können wir uns |ψ\left|\psi\right\rangle auch als Vektor in einem 2n2^{n} dimensionalem Raum vorstellen. Was bedeutet Gl. 4.3 geometrisch? Für ein einzelnes Qubit haben wir in Abschnitt 2.1.2 gesehen, dass die Zustände Punkten auf dem Einheitskreis entsprechen, also zweidimensionalen Vektoren der Länge eins. Nach dem Satz des Pythagoras gilt in jeder Dimension, dass die Summe der Quadrate aller Einträge eines Vektors das Quadrat seiner Länge ist. Also bedeutet Gl. 4.3 geometrisch, dass |ψ\left|\psi\right\rangle einem Vektor der Länge eins oder einem Einheitsvektor in einem 2n2^{n} dimensionalem Raum entspricht.

Man beachte, dass die Anzahl der Amplituden schnell mit der Anzahl der Qubits wächst. Das erklärt, warum es schnell unmöglich wird, Quantenzustände auf einem klassischen Computer zu speichern. So bräuchte man beispielsweise zum Darstellen eines Quantenzustands mit n=300n=300 Qubits schon mehr Amplituden als es Atome im beobachtbaren Universum gibt! Deswegen kann man in Quirky nicht mehr als 10 Qubits nutzen, wir wollen ja nicht, dass deinem Browser der Speicher ausgeht.

Wie schon in Gl. 3.50 können wir das Tensorprodukt\otimes” nutzen, um Quantenzustände auf einer beliebigen Anzahl an Qubits zu kombinieren. Wenn wir zwei Basiszustände haben, definieren wir ihr Tensorprodukt einfach als die Konkatenation (Aneinanderreihung) der Bitstrings. So verallgemeinern wir den zwei-Qubit Fall aus Gl. 3.49 wie folgt:

|a1,,an|b1,,bm=|a1,,an,b1,,bm.\displaystyle\left|a_{1},\dots,a_{n}\right\rangle\otimes\left|b_{1},\dots,b_{m% }\right\rangle=\left|a_{1},\dots,a_{n},b_{1},\dots,b_{m}\right\rangle. (4.4)

Zum Beispiel,

|101|01=|10101.\displaystyle\left|101\right\rangle\otimes\left|01\right\rangle=\left|10101% \right\rangle.

Im Allgemeinen gilt, wenn |α\left|\alpha\right\rangle ein beliebiger Quantenzustand von nn Qubits und |β\left|\beta\right\rangle ein beliebiger Quantenzustand von mm Qubits ist, dann ist ihr Tensorprodukt ein Zustand von n+mn+m Qubits. Um diesen Zustand zu berechnen, können wir einfach “ausmultiplizieren” indem wir das Distributivgesetz anwenden und anschließend Gl. 4.4 auf jeden Term anwenden. Beispielsweise lässt sich das Tensorprodukt zweier maximal verschränkter Quantenzustände so berechnen:

|Φ+|Φ+\displaystyle\quad\left|\Phi^{+}\right\rangle\otimes\left|\Phi^{+}\right\rangle
=(12|00+12|11)(12|00+12|11)\displaystyle=\left(\frac{1}{\sqrt{2}}\left|00\right\rangle+\frac{1}{\sqrt{2}}% \left|11\right\rangle\right)\otimes\left(\frac{1}{\sqrt{2}}\left|00\right% \rangle+\frac{1}{\sqrt{2}}\left|11\right\rangle\right)
=1212|00|00+1212|00|11+1212|11|00+1212|11|11\displaystyle=\frac{1}{\sqrt{2}}\frac{1}{\sqrt{2}}\left|00\right\rangle\otimes% \left|00\right\rangle+\frac{1}{\sqrt{2}}\frac{1}{\sqrt{2}}\left|00\right% \rangle\otimes\left|11\right\rangle+\frac{1}{\sqrt{2}}\frac{1}{\sqrt{2}}\left|% 11\right\rangle\otimes\left|00\right\rangle+\frac{1}{\sqrt{2}}\frac{1}{\sqrt{2% }}\left|11\right\rangle\otimes\left|11\right\rangle
=12|0000+12|0011+12|1100+12|1111.\displaystyle=\frac{1}{2}\left|0000\right\rangle+\frac{1}{2}\left|0011\right% \rangle+\frac{1}{2}\left|1100\right\rangle+\frac{1}{2}\left|1111\right\rangle.
Übungsaufgabe 4.1 (Tensorprodukt der Bell-Zustände).

Berechne das Tensorprodukt |Φ|Ψ\left|\Phi^{-}\right\rangle\otimes\left|\Psi^{-}\right\rangle der zwei Bell-Zustände aus Gl. 3.70 und 3.72.

Lösung.
|Φ|Ψ\displaystyle\quad\left|\Phi^{-}\right\rangle\otimes\left|\Psi^{-}\right\rangle
=(12|0012|11)(12|0112|10)\displaystyle=\left(\frac{1}{\sqrt{2}}\left|00\right\rangle-\frac{1}{\sqrt{2}}% \left|11\right\rangle\right)\otimes\left(\frac{1}{\sqrt{2}}\left|01\right% \rangle-\frac{1}{\sqrt{2}}\left|10\right\rangle\right)
=12|000112|001012|1101+12|1110.\displaystyle=\frac{1}{2}\left|0001\right\rangle-\frac{1}{2}\left|0010\right% \rangle-\frac{1}{2}\left|1101\right\rangle+\frac{1}{2}\left|1110\right\rangle.