4.1.6 Einzelne Qubits messen

Natürlich können wir auch nur eine Teilmenge der Qubits messen. (Das haben wir letzte Woche nicht mal für zwei Qubits besprochen, da es so viel anderes zu tun gab.) Nehmen wir beispielsweise mal an, wir haben einen Drei-Qubit-Zustand |ψ\left|\psi\right\rangle, wie den in Gl. 4.1, aber anstelle alle drei Qubits zu messen, misst du nur das erste Qubit. Mit welcher Wahrscheinlichkeit pap_{a} erhältst du das Ergebnis a{0,1}a\in\{0,1\}? Es ist einfach die Summe aller Wahrscheinlichkeiten aus Gl. 4.6 die einem Bitstring entsprechen, der mit aa beginnt:

pa=ψa002+ψa012+ψa102+ψa112.p_{a}=\psi_{a00}^{2}+\psi_{a01}^{2}+\psi_{a10}^{2}+\psi_{a11}^{2}. (4.8)

+ Wenn wir beispielsweise das erste Qubit des Zustands

18|000+28|010+58|111\displaystyle\frac{1}{\sqrt{8}}\left|000\right\rangle+\sqrt{\frac{2}{8}}\left|% 010\right\rangle+\sqrt{\frac{5}{8}}\left|111\right\rangle

messen, erhalten wir das Ergebnis 0 mit Wahrscheinlichkeit 1/8+2/8=3/81/8+2/8=3/8.

In Quirky können wir einzelne Qubits messen, indem wir Messungen auf die Drähte ziehen, an denen wir interessiert sind. Um die Wahrscheinlichkeiten der Messergebnisse anzusehen, ziehen wir eine Wahrscheinlichkeitsanzeige auf den Schaltkreis. Probier’s doch direkt mal aus! Die folgende Abfolge von Operationen erstellt beispielsweise den Zustand aus Gl. 4.7 und misst nur das erste Qubit:

[Uncaptioned image]
\href https://www.quantum-quest.org/quirky/QuirkyQuest4.html#circuit=%7B%22% cols%22%3A%5B%5B1%2C1%2C%22H%22%5D%2C%5B1%2C%22NOT%22%2C%22%E2%80%A2%22%5D%2C%% 5B%22NOT%22%2C1%2C%22%E2%80%A2%22%5D%2C%5B1%2C1%2C%22Measure%22%5D%2C%5B1%2C1%% 2C%22Chance1%22%5D%5D%7D
(4.9)

Tatsächlich, laut Gl. 4.8 sollten wir 0 und 11 mit gleicher Wahrscheinlichkeit erhalten.

In welchem Quantenzustand befinden sich aber das zweite und dritte Qubit, nachdem du das erste Qubit gemessen und als Ergebnis a{0,1}a\in\{0,1\} erhalten hast? Nach dem gleichen Verfahren wie bei probabilistischen Bits aus Abschnitt 3.1.3 sammeln wir zunächst alle Terme von |ψ\left|\psi\right\rangle, bei denen sich das erste Qubit in dem korrekten Zustand befindet:

ψa00|a00+ψa01|a01+ψa10|a10+ψa11|a11.\psi_{a00}\left|a00\right\rangle+\psi_{a01}\left|a01\right\rangle+\psi_{a10}% \left|a10\right\rangle+\psi_{a11}\left|a11\right\rangle.

Anschließend lassen wir das erste Qubit aus allen vier Termen einfach weg, da es schon gemessen wurde:

ψa00|00+ψa01|01+ψa10|10+ψa11|11.\psi_{a00}\left|00\right\rangle+\psi_{a01}\left|01\right\rangle+\psi_{a10}% \left|10\right\rangle+\psi_{a11}\left|11\right\rangle.

Schlussendlich normalisieren wir das Ergebnis noch, um einen gültigen Zwei-Qubit-Zustand zu erhalten. Dafür müssen wir die Zahl cc finden, sodass ψa00c|00+ψa01c|01+ψa10c|10+ψa11c|11\frac{\psi_{a00}}{c}\left|00\right\rangle+\frac{\psi_{a01}}{c}\left|01\right% \rangle+\frac{\psi_{a10}}{c}\left|10\right\rangle+\frac{\psi_{a11}}{c}\left|11\right\rangle ein gültiger Quantenzustand ist, also,

(ψa00c)2+(ψa01c)2+(ψa10c)2+(ψa11c)2=1.\left\lparen\frac{\psi_{a00}}{c}\right\rparen^{2}+\left\lparen\frac{\psi_{a01}% }{c}\right\rparen^{2}+\left\lparen\frac{\psi_{a10}}{c}\right\rparen^{2}+\left% \lparen\frac{\psi_{a11}}{c}\right\rparen^{2}=1.

Das globale Vorzeichen ist dabei unwichtig, wir können also einfach

c=ψa002+ψa012+ψa102+ψa112,c=\sqrt{\psi_{a00}^{2}+\psi_{a01}^{2}+\psi_{a10}^{2}+\psi_{a11}^{2}},

nutzen, was die Quadratwurzel der Wahrscheinlichkeit aus Gl. 4.8 ist.

Zusammenfassend, wenn du das erste Qubit eines Drei-Qubit-Zustandes misst wie in Gl. 4.1, dann erhältst du das Ergebnis a{0,1}a\in\{0,1\} mit Wahrscheinlichkeit

pa=ψa002+ψa012+ψa102+ψa112p_{a}=\psi_{a00}^{2}+\psi_{a01}^{2}+\psi_{a10}^{2}+\psi_{a11}^{2} (4.10)

und der resultierende Zwei-Qubit-Zustand |ψa\left|\psi_{a}\right\rangle auf den übrig bleibenden Qubits ist

|ψa=ψa00|00+ψa01|01+ψa10|10+ψa11|11ψa002+ψa012+ψa102+ψa112.\left|\psi_{a}\right\rangle=\frac{\psi_{a00}\left|00\right\rangle+\psi_{a01}% \left|01\right\rangle+\psi_{a10}\left|10\right\rangle+\psi_{a11}\left|11\right% \rangle}{\sqrt{\psi_{a00}^{2}+\psi_{a01}^{2}+\psi_{a10}^{2}+\psi_{a11}^{2}}}. (4.11)

Was bedeutet das im Falle von (4.9), wo wir den Zustand 12|000+12|111\frac{1}{\sqrt{2}}\left|000\right\rangle+\frac{1}{\sqrt{2}}\left|111\right\rangle erzeugen und anschließend das erste Qubit messen? Wenn das Messergebnis 0 ist (was mit Wahrscheinlichkeit 1/21/2 passiert), sind die zwei übrigen Qubits im Zustand

12|0012=|00.\displaystyle\frac{\frac{1}{\sqrt{2}}\left|00\right\rangle}{\sqrt{\frac{1}{2}}% }=\left|00\right\rangle.

Wenn das Messergebnis stattdessen 11 ist, sind die übrigen Qubits analog im Zustand |11\left|11\right\rangle.

Da das Messen eines Qubits von vielen schwierig sein kann, wollen wir uns noch eine andere Methode anschauen. Betrachten wir wieder einen allgemeinen Drei-Qubit-Zustand |ψ\left|\psi\right\rangle wie den in Gl. 4.1 und nehmen an, dass wir das erste Qubit messen wollen. Dann können wir die acht Terme im Ausdruck von |ψ\left|\psi\right\rangle wie folgt umschreiben:

|ψ\displaystyle\left|\psi\right\rangle =p0|0ψ000|00+ψ001|01+ψ010|10+ψ011|11p0\displaystyle=\sqrt{p_{0}}\left|0\right\rangle\otimes\frac{\psi_{000}\left|00% \right\rangle+\psi_{001}\left|01\right\rangle+\psi_{010}\left|10\right\rangle+% \psi_{011}\left|11\right\rangle}{\sqrt{p_{0}}} (4.12)
+p1|1ψ100|00+ψ101|01+ψ110|10+ψ111|11p1.\displaystyle+\,\sqrt{p_{1}}\left|1\right\rangle\otimes\frac{\psi_{100}\left|0% 0\right\rangle+\psi_{101}\left|01\right\rangle+\psi_{110}\left|10\right\rangle% +\psi_{111}\left|11\right\rangle}{\sqrt{p_{1}}}.

Wir können das nun schreiben als

|ψ=p0|0|ψ0+p1|1|ψ1,\displaystyle\left|\psi\right\rangle=\sqrt{p_{0}}\left|0\right\rangle\otimes% \left|\psi_{0}\right\rangle\,+\,\sqrt{p_{1}}\left|1\right\rangle\otimes\left|% \psi_{1}\right\rangle, (4.13)

wobei die pap_{a} Wahrscheinlichkeiten sind (genauer gesagt die aus Gl. 4.10) und die |ψa\left|\psi_{a}\right\rangle Quantenzustände sind (die Zwei-Qubit-Zustände aus Gl. 4.11).

Tatsächlich kann man die Wahrscheinlichkeiten der Messergebnisse und den übrig bleibenden Quantenzustand immer dann auf diese Weise ablesen, wenn es gelingt den Quantenzustand in der Form von Gl. 4.13 zu schreiben. Zum Beispiel,

12|000+12|111=12|0|00+12|1|11,\displaystyle\frac{1}{\sqrt{2}}\left|000\right\rangle+\frac{1}{\sqrt{2}}\left|% 111\right\rangle=\frac{1}{\sqrt{2}}\left|0\right\rangle\otimes\left|00\right% \rangle+\frac{1}{\sqrt{2}}\left|1\right\rangle\otimes\left|11\right\rangle,

Das bestätigt noch einmal, das in unserem Beispiel (4.9) beide Ergebnisse mit Wahrscheinlichkeit 1/21/2 auftreten und dass der übrige bleibende Quantenzustand entweder |00\left|00\right\rangle oder |11\left|11\right\rangle ist, je nach Messergebnis. Diese Methode, die Terme zuerst zu gruppieren und anschließend zu normalisieren ist sehr intuitiv und im Allgemeinen sehr hilfreich. Man muss dabei allerdings darauf achten, die Zustände richtig zu normalisieren! Soll heißen, welche Konstanten pa\sqrt{p_{a}} auch immer for die zwei Basiszustände aus Gl. 4.12 und 4.13 gezogen werden sollten p0+p1=1p_{0}+p_{1}=1 erfüllen und die Zustände |ψ0\left|\psi_{0}\right\rangle und |ψ1\left|\psi_{1}\right\rangle auf den übrigen Qubits sollten korrekt normalisiert werden, siehe Gl. 4.3.

Wir können analog vorgehen, wenn wir mehr als drei Qubits haben oder ein anderes als das erste Qubit messen wollen oder wenn wir mehr als ein einzelnes Qubit messen wollen! Nehmen wir beispielsweise an, wir wollen die ersten zwei Qubits des allgemeinen Drei-Qubit-Zustandes |ψ\left|\psi\right\rangle aus Gl. 4.1 messen. Dann besteht das Messergebnis aus zwei Bits, aa und bb, welche mit den Wahrscheinlichkeiten

pa,b=ψab02+ψab12,\displaystyle p_{a,b}=\psi_{ab0}^{2}+\psi_{ab1}^{2}, (4.14)

auftreten und das übrig gebliebene Qubit ist nach der Messung im Zustand

|ψa,b=ψab0|0+ψab1|1ψab02+ψab12.\displaystyle\left|\psi_{a,b}\right\rangle=\frac{\psi_{ab0}\left|0\right% \rangle+\psi_{ab1}\left|1\right\rangle}{\sqrt{\psi_{ab0}^{2}+\psi_{ab1}^{2}}}. (4.15)
Übungsaufgabe 4.7 (Zwei von Drei).

Mit welchen Wahrscheinlichkeiten ergibt das Messen der ersten beiden Qubits des Drei-Qubit-Zustands aus Gl. 4.7 welche Messergebnisse? Überprüfe dein Ergebnis mit Quirky.

Lösung. Nach Gl. 4.14 sollten wir [00][00] und [11][11] jeweils mit 50% Wahrscheinlichkeit erhalten. Tatsächlich:

[Uncaptioned image]

Wenn wir einige der Qubits messen, andere aber nicht, werden wir oft das Messergebniss verwenden wollen, um zu bestimmen, ob eine Operation auf die verbleibenden Qubits angewendet werden soll oder nicht. Nehmen wir zum Beispiel an, dass man in der Situation von (4.9) die verbleibenden zwei Qubits auf den Zustand |00\left|00\right\rangle zurücksetzen möchte. Wenn das Ergebnis der Messung null ist, muss nichts getan werden. Ist das Messergebnis jedoch eins, dann wissen wir, dass sich die beiden verbleibenden Qubits im Zustand |11\left|11\right\rangle befinden und wir möchten sie wieder auf |00\left|00\right\rangle zurücksetzen. Das können wir durch Anwendung einer NOT\mathrm{NOT}-Operation auf beide Qubits erreichen. Woher wissen wir jedoch, ob wir diese Operation wirklich anwenden sollten oder nicht, das hängt schließlich von dem früheren Messergebnis des ersten Qubits ab. Daher möchten wir sie nur anwenden, wenn das Messergebnis 11 ist. Mit anderen Worten, wir wollen ein kontrolliertes-NOT-Gate anwenden, bei dem das Kontroll-Bit nun ein klassisches Bit ist (das Ergebnis der Messung), das Ziel-Bit aber immer noch ein Qubit ist.

In Quirky können wir das genau so wie erwartet lösen, indem man einfach ein klassisches Bit als Kontrol-Bit und ein Qubit als Ziel-Bit verwendet, wie man hier sieht:

[Uncaptioned image]

Hier werden, nachdem das erste Qubit gemessen wurde, zwei weitere kontrollierte-NOT-Gatter angewandt, die von dem Messergebnis kontrolliert werden und im Anschluss werden die übrigen zwei Qubit gemessen. Das Bild zeigt, dass die Qubits tatsächlich erfolgreich zurückgesetzt wurden, da das Messergebnis mit 100% [00][00] ist.

Wenn wir wollten, könnten wir diese Operationen auf “hybriden” Zuständen beschreiben, die aus einem Bit und zwei Qubits bestehen, z.B.,

CNOT12[a]|b,c=[a]|ab,c,\displaystyle\mathrm{CNOT}_{1\to 2}[a]\otimes\left|b,c\right\rangle=[a]\otimes% \left|a\oplus b,c\right\rangle,

aber wir brauchen diese Formalität nicht.