4.2.3 Quanten-Teleportation

Es mag zwar unmöglich sein, Qubits zu klonen, aber wir können sie auf jeden Fall von einer Stelle zur anderen bewegen. Tatsächlich ist jedes Qubit in einem physikalischem Objekt oder Teilchen gespeichert, welches das Qubit trägt. Wenn Alice ihr Qubit beispielsweise in der Polarisation eines Photons speichert, kann sie einfach dieses Photon an Bob senden. Überraschenderweise kann man allerdings ein Qubit auch bewegen, indem man eine begrenzte Anzahl an klassischen Bits sendet (tatsächlich genügen zwei Bits). Das ist besonders deswegen überraschend, weil der allgemeine Zustand eines Qubits |ψ(θ)\left|\psi(\theta)\right\rangle durch einen beliebigen Winkel θ\theta beschrieben wird, siehe Gl. 2.5, was im Allgemeinen nicht durch eine begrenzte Anzahl von Bits beschrieben werden kann. Aufgrund dieser unerwarteten Eigenschaft wird dieses Protokoll Teleportation genannt. Wir werden gleich sehen, dass wir Verschränkung benötigen, um das Protokoll zum Laufen zu bekommen.

Ausgangspunkt für die Teleportation ist das folgende Szenario. Wir stellen uns vor, dass Alice zwei Qubits und Bob einen Qubit hat. Das erste Qubit von Alice ist das Nachrichten-Qubit, das sie an Bob senden möchte, und befindet sich zu Beginn in einem beliebigen Zustand |ψ\left|\psi\right\rangle, der Alice selbst nicht bekannt sein muss! Ihr zweites Qubit und Bobs Qubit befinden sich in einem maximal verschränkten Zustand |Φ+\left|\Phi^{+}\right\rangle. Die drei Qubits befinden sich also in folgendem Zustand:

|ψ|Φ+,\displaystyle\left|\psi\right\rangle\otimes\left|\Phi^{+}\right\rangle,

wobei die ersten beiden Qubits zu Alice und das letzte Qubit zu Bob gehört (wie aus Gl. 3.69 hervorgeht, ist |Φ+\left|\Phi^{+}\right\rangle ein Zwei-Qubit-Zustand). Die folgende Quirky-Schaltung zeigt, wie dies für den Fall aussieht, dass Alice ein Qubit im Zustand |ψ=|1=NOT|0\left|\psi\right\rangle=\left|1\right\rangle=\mathrm{NOT}\left|0\right\rangle senden will:

Wie soll es also weitergehen? Das Ziel ist es, dass Bob das Qubit von Alice erhält - da wir das Qubit nicht klonen können, bedeutet dies, dass Alice etwas machen muss, dass ihr Qubit “zerstört”. Eine gute Option dafür, ist eine Messung. Aber eine einfache Messung von Alices beiden Qubits wird den beiden nichts nützen, da man den Zustand von |ψ\left|\psi\right\rangle nicht aus einer einzigen Messung ableiten kann. Das bedeutet, dass Alice zuerst eine Quantenoperation auf ihre beiden Qubits anwenden und sie dann messen sollte. Es stellt sich heraus, dass die richtige Strategie für sie darin besteht, dieselben Operationen durchzuführen, die Sie zur Unterscheidung der vier Bell-Zustände in 3.13 verwendet haben:

Bemerke, dass in diesem Beispiel Alice’ vier Messergebnisse jeweils mit 25% auftreten. Hier ist ein weiteres Beispiel, in dem Alice stattdessen den Zustand |ψ(0.42)\left|\psi(0.42)\right\rangle teleportieren will:

Es scheint, egal welchen Zustand Alice’ Nachrichten-Qubit hat, die vier Messwahrscheinlichkeiten bleiben gleich. Das ist ermutigend, schließlich bedeutet das, dass die Messung Alice keine Information über ihr Nachrichten-Qubit gibt! Wenn wir uns daran erinnern, dass ihr ursprünglicher Zustand |ψ\left|\psi\right\rangle komplett bei Bob landen soll, ist es klar, dass sie keine Informationen über diesen Zustand extrahieren oder behalten sollte.

Im allgemeinen sieht der Zustand direkt vor Alice’ Messung wie folgt aus:

(HII)(CNOT12I)(|ψ|Φ+)\displaystyle\left(H\otimes I\otimes I\right)\left(\mathrm{CNOT}_{1\to 2}% \otimes I\right)\left(\left|\psi\right\rangle\otimes\left|\Phi^{+}\right% \rangle\right)

Beachte, dass die letzten zwei Tensorprodukte nicht korrekt ausgerichtet sind (siehe 4.3). Daher berechnen wir:

(HII)(CNOT12I)(|ψ|Φ+)\displaystyle\quad\left(H\otimes I\otimes I\right)\left(\mathrm{CNOT}_{1\to 2}% \otimes I\right)\left(\left|\psi\right\rangle\otimes\left|\Phi^{+}\right% \rangle\right)
=12(HII)(CNOT12I)(ψ0|000+ψ0|011+ψ1|100+ψ1|111)\displaystyle=\frac{1}{\sqrt{2}}\left(H\otimes I\otimes I\right)\left(\mathrm{% CNOT}_{1\to 2}\otimes I\right)\left(\psi_{0}\left|000\right\rangle+\psi_{0}% \left|011\right\rangle+\psi_{1}\left|100\right\rangle+\psi_{1}\left|111\right% \rangle\right)
=12(HII)(ψ0|000+ψ0|011+ψ1|110+ψ1|101)\displaystyle=\frac{1}{\sqrt{2}}\left(H\otimes I\otimes I\right)\left(\psi_{0}% \left|000\right\rangle+\psi_{0}\left|011\right\rangle+\psi_{1}\left|110\right% \rangle+\psi_{1}\left|101\right\rangle\right)
=12(ψ0|000+ψ0|100+ψ0|011+ψ0|111+ψ1|010ψ1|110+ψ1|001ψ1|101)\displaystyle=\frac{1}{2}\left(\psi_{0}\left|000\right\rangle+\psi_{0}\left|10% 0\right\rangle+\psi_{0}\left|011\right\rangle+\psi_{0}\left|111\right\rangle+% \psi_{1}\left|010\right\rangle-\psi_{1}\left|110\right\rangle+\psi_{1}\left|00% 1\right\rangle-\psi_{1}\left|101\right\rangle\right)
=|00ψ0|0+ψ1|12+|01ψ1|0+ψ0|12\displaystyle=\left|00\right\rangle\otimes\frac{\psi_{0}\left|0\right\rangle+% \psi_{1}\left|1\right\rangle}{2}+\left|01\right\rangle\otimes\frac{\psi_{1}% \left|0\right\rangle+\psi_{0}\left|1\right\rangle}{2}
+|10ψ0|0ψ1|12+|11ψ1|0+ψ0|12.\displaystyle\,+\left|10\right\rangle\otimes\frac{\psi_{0}\left|0\right\rangle% -\psi_{1}\left|1\right\rangle}{2}+\left|11\right\rangle\otimes\frac{-\psi_{1}% \left|0\right\rangle+\psi_{0}\left|1\right\rangle}{2}.

Das ist der Gesamtzustand direkt vor Alice’ Messung. Wir können die Wahrscheinlichkeiten ihrer Messergebnisse wie in Gl. 4.14 besprochen berechnen. Genauer gesagt, um die Wahrscheinlichkeit pa,bp_{a,b} des Ergebnisses [ab][ab] zu berechnen, addieren wir einfach die quadrierten Amplituden der relevanten Basiszustände |ab0\left|ab0\right\rangle und |ab1\left|ab1\right\rangle. In jedem Fall ist eine der Amplituden ψ0/2\psi_{0}/2 und die andere ±ψ1/2\pm\psi_{1}/2, also summieren sich die Quadrate zum gleichen Ergebnis:

p00\displaystyle p_{00} =(ψ02)2+(ψ12)2=ψ02+ψ124=14,\displaystyle=\left(\frac{\psi_{0}}{2}\right)^{2}+\left(\frac{\psi_{1}}{2}% \right)^{2}=\frac{\psi_{0}^{2}+\psi_{1}^{2}}{4}=\frac{1}{4},
p01\displaystyle p_{01} =(ψ12)2+(ψ02)2=14,\displaystyle=\left(\frac{\psi_{1}}{2}\right)^{2}+\left(\frac{\psi_{0}}{2}% \right)^{2}=\frac{1}{4},
p10\displaystyle p_{10} =(ψ02)2+(ψ12)2=14,\displaystyle=\left(\frac{\psi_{0}}{2}\right)^{2}+\left(\frac{-\psi_{1}}{2}% \right)^{2}=\frac{1}{4},
p11\displaystyle p_{11} =(ψ12)2+(ψ02)2=14.\displaystyle=\left(\frac{-\psi_{1}}{2}\right)^{2}+\left(\frac{\psi_{0}}{2}% \right)^{2}=\frac{1}{4}.

Jedes Ergebnis tritt mit 25% auf. Das bestätigt das Ergebnis aus Quirky.

Nach Alice’ Messung bleibt nur noch Bobs Qubit übrig. Wir bezeichnen dessen Zustand als |ψa,b\left|\smash[b]{\psi^{\prime}}_{a,b}\right\rangle, da es von Alice’ Messergebnis abhängt. Den Zustand können wir mit Gl. 4.15 oder viel einfacher mit der Gruppierungs-Methode aus Gl. 4.13 bestimmen. Beide Fälle führen zu den folgenden vier möglichen Zuständen:

|ψ00\displaystyle\left|\psi^{\prime}_{00}\right\rangle =ψ0|0+ψ1|1,\displaystyle=\psi_{0}\left|0\right\rangle+\psi_{1}\left|1\right\rangle,
|ψ01\displaystyle\left|\psi^{\prime}_{01}\right\rangle =ψ1|0+ψ0|1,\displaystyle=\psi_{1}\left|0\right\rangle+\psi_{0}\left|1\right\rangle,
|ψ10\displaystyle\left|\psi^{\prime}_{10}\right\rangle =ψ0|0ψ1|1,\displaystyle=\psi_{0}\left|0\right\rangle-\psi_{1}\left|1\right\rangle,
|ψ11\displaystyle\left|\psi^{\prime}_{11}\right\rangle =ψ1|0+ψ0|1.\displaystyle=-\psi_{1}\left|0\right\rangle+\psi_{0}\left|1\right\rangle.

Falls [ab]=[00][ab]=[00], ist Bobs Zustand genau der gleiche wie Alice’ ursprünglicher Zustand |ψ\left|\psi\right\rangle, welchen sie teleportieren wollte:

|ψ00=|ψ.\displaystyle\left|\psi^{\prime}_{00}\right\rangle=\left|\psi\right\rangle.

In den anderen drei Fällen ist Bobs Quantenzustand ein bisschen verzerrt. Aber da Alice ihm ihre Messergebnisse sendet (also die zwei Bits aa und bb), kann Bob die notwendigen Korrekturen anwenden um den Zustand zu “retten”:

NOT|ψ01\displaystyle\mathrm{NOT}\left|\psi^{\prime}_{01}\right\rangle =|ψ,\displaystyle=\left|\psi\right\rangle,
Z|ψ10\displaystyle Z\left|\psi^{\prime}_{10}\right\rangle =|ψ,\displaystyle=\left|\psi\right\rangle,
ZNOT|ψ11\displaystyle Z\,\mathrm{NOT}\left|\psi^{\prime}_{11}\right\rangle =|ψ.\displaystyle=\left|\psi\right\rangle.

Diese vier Fälle können einfach zusammengefasst werden:

  1. 1.

    schaue das Bit bb and und wenn b=1b=1, wende NOT\mathrm{NOT} an,

  2. 2.

    schaue das Bit aa und wenn a=1a=1, wende ZZ an.

Wir können diese Prozedur mit einem kontrolliertem-NOT- und einem kontrolliertem-Z-Gatter implementieren, wobei die Kontroll-Bits klassisch sind. Die kontrollierte-Z-Operation kann man genau wie die kontrollierte-NOT-Operation bauen – das haben wir am Ende von Abschnitt 3.2.4 besprochen. Puh, das war ein ganzes Stück Arbeit!

Wie sieht das ganze denn in Quirky aus? Das Endergebnis siehst du in der folgenden Quantenschaltung:

Der relevante Teil ist in der grauen Box – der Teleportations Schaltkreis – um ihn vom restlichen Teil abzugrenzen, der die Eingabezustände erstellt. Hier siehst du eine Quantenschaltung, die nur die Teleportation und das erstellen des maximal verschränkten Zustands zeigt, ohne Alice’ Nachrichten-Qubit zu spezifizieren:

Außerdem haben wir die Drähte von Alice’ zwei klassischen Bits abgeschnitten, da sie nicht mehr relevant sind, nachdem Alice die Messergebnisse an Bob gesendet hat. Die Wahrscheinlichkeitsanzeige wurde auch entfernt, da sie keine tatsächliche Quantenoperation ist, sondern uns nur erlaubt, den Schaltkreis in Quirky genauer anzuschauen. Es gibt also nur ein Eingabe-Bit für Alice’ Nachricht, zwei maximal verschränkte Qubits und ein Ausgabe Qubit auf Bobs Seite. Die Teleportation hat also den Effekt einen beliebigen Quantenzustand |ψ\left|\psi\right\rangle von Alice’ Eingabe-Qubit auf Bobs Seite zu transportieren. Entscheidend ist dabei, dass innerhalb der Box nur klassische Bits von Alice zu Bob geschickt werden!

Lass uns noch einmal überprüfen, dass wir keine Fehler gemacht haben. Da wir erwarten, dass Bobs Qubit nach der Teleportation im Zustand |1\left|1\right\rangle sein sollte, können wir einfach eine Messung hinzufügen, um zu prüfen ob das tatsächlich der Fall ist:

Tatsächlich erhalten wir das Ergebnis 1 mit 100%, was bestätigt, dass die Teleportation des |1\left|1\right\rangle Zustands erfolgreich war! Nun ist |1\left|1\right\rangle aber kein besonders interessanter Zustand, den wir teleportieren können. Wie wäre es denn mit dem |+\left|+\right\rangle Zustand, der uns beim Klonen so Probleme bereitet hat? In der folgenden Hausaufgabe wirst du den Teleportations-Schaltkreis mit dem |+\left|+\right\rangle Zustand und anschließend für beliebige Ein-Qubit-Zustände verifizieren.

Hausaufgabe 4.2 (Teleportation testen).
  1. 1.

    Warum teleportiert der folgende Schaltkreis den |+\left|+\right\rangle Zustand korrekt?

[Uncaptioned image]

  1. 2.

    Wie kannst du auf ähnliche Weise prüfen, ob ein beliebiger Quantenzustand |ψ\left|\psi\right\rangle korrekt teleportiert wird?

Hack.
  1. 1.

    On the one hand, H|0=|+H\left|0\right\rangle=\left|+\right\rangle, so Alice is indeed trying to teleport the right state. On the other hand, Bob’s probability display shows that the state right before the measurement is |0\left|0\right\rangle. Since H|+=|0H\left|+\right\rangle=\left|0\right\rangle, this means that the state before the Hadamard gate HH was |+\left|+\right\rangle. This is what we wanted to check.

  2. 2.

    We can use the same method as in the previous part of this problem, but this time Alice can apply U(θ)U(\theta) to the state |0\left|0\right\rangle to prepare the state |ψ(θ)\left|\psi(\theta)\right\rangle. If this state is correctly teleported, then Bob ends up with his qubit being in the state |ψ(θ)\left|\psi(\theta)\right\rangle, and hence if he applies U(θ)U(-\theta) to his qubit, he should end up with his qubit being in the state |0\left|0\right\rangle. Using Quirky, we can confirm that Bob, after the application of U(θ)U(-\theta) indeed measures 0 with probaility 100%100\%, (or equivalently, that he measures 11 with 0%0\%). This confirms that Bob’s qubit just before the application of U(θ)U(-\theta) was in the state |ψ(θ)\left|\psi(\theta)\right\rangle, and hence proves that the state was correctly teleported.

    The diagram below shows the resulting circuit for θ=0.42\theta=0.42.

    [Uncaptioned image]

Die Teleportationsschaltung ist recht bemerkenswert. Sie ermöglicht es, ein Quantenbit von Alice zu Bob zu senden, indem nur zwei klassische Bits übertragen werden, vorausgesetzt, dass Alice und Bob einen maximal verschränkten Zustand teilen. Sie ist jedoch nicht nur für Anwendungen nützlich (wir werden einige davon weiter unten besprechen), sondern bietet auch eine interessante Perspektive auf den Unterschied zwischen klassischen und Quantenbits. Ende letzter Woche haben wir über das Superdense-Coding-Protokoll gesprochen, welches es uns ermöglicht, zwei Bits zu senden, indem wir ein einzelnes Qubit übertragen, wobei wir auch wieder einen maximal verschränkten Zustand zwischen Alice und Bob genutzt haben. Das zeigt, dass:

Bei unbegrenzt vorhandener Quantenverschränkung ist das Senden

von zwei Bits gleichwertig zum Senden eines Quantenbits!

Beachte, dass wir weder bei Teleportation noch bei Superdense-Coding die maximal verschränkten Zustände weiterverwenden können – sie sind der “Kraftstoff”, der beim Prozess verbraucht wird.