2.6.2 Polarisation

Da wir uns nun schon ausgiebig mit mathematischen Konzepten von Quantenzuständen und -Operationen beschäftigt haben, können wir uns ja mal die physikalischen Äquivalente anschauen.

Eine der einfachsten physikalischen Repräsentationen eines Qubits ist durch Polarisation von Licht. Licht ist eine elektromagnetische Welle, die sich geradlinig im Raum ausbreitet. Diese Welle oszilliert (schwingt) senkrecht zur Ausbreitungsrichtung. Beachte, dass es viele verschieden Oszillationsrichtungen geben kann – eine sich vorwärts bewegende Welle kann von links nach rechts oder oben nach unten oszillieren. Diese verschiedenen Zustände können wir als Basiszustände eines Qubits interpretieren:

|=(10),|=(01).|{\leftrightarrow}\rangle=\begin{pmatrix}1\\ 0\end{pmatrix},\qquad|{\updownarrow}\rangle=\begin{pmatrix}0\\ 1\end{pmatrix}.

Noch allgemeiner können wir eine Welle, die im Winkel θ\theta zur horizontalen Achse schwingt durch den folgenden Zustand darstellen:

|ψ(θ)=cosθ|+sinθ|=(cosθsinθ)\left|\psi(\theta)\right\rangle=\cos\theta\,|{\leftrightarrow}\rangle+\sin% \theta\,|{\updownarrow}\rangle=\begin{pmatrix}\cos\theta\\ \sin\theta\end{pmatrix}

So entspricht diagonal polarisiertes Licht, welches um einen 4545^{\circ} Winkel zwischen der horizontalen und vertikalen Achse oszilliert, dem Zustand |ψ(π/4)=|+\left|\psi(\pi/4)\right\rangle=\left|+\right\rangle. Beachte, dass der Winkel der Oszillation der Welle in dieser Darstellung mit dem Winkel des Vektors aus Abb. 2.1 in Abschnitt 2.1.2, der einen Quantenzustand auf dem Einheitskreis darstellt, entspricht.

Um einen dieser Zustände herzustellen, schicken wir einfach einen Lichtstrahl durch einen Polarisationsfilter, wie er in Sonnenbrillen oder 3D Brillen benutzt wird. Ein Polarisationsfilter lässt dabei nur manche Wellen durch – jene, deren Oszillationsrichtung der des Polarisationsfilters entsprechen. Für den Zustand |ψ(θ)\left|\psi(\theta)\right\rangle können wir also einfach den Filter um den Winkel θ\theta von der horizontalen Achse weg drehen. Beispielsweise sind in Abb. 2.8 die Zustände |0\left|0\right\rangle, |1\left|1\right\rangle und |+\left|+\right\rangle dargestellt.

Abbildung 2.8: Horizontal, vertikal und diagonal polarisiertes Licht können die Quantenzustände |0\left|0\right\rangle, |1\left|1\right\rangle und |+\left|+\right\rangle darstellen.

Eine interessante Eigenschaft der Darstellung von Quantenzuständen durch polarisiertes Licht ist, dass die Zustände |ψ(θ)\left|\psi(\theta)\right\rangle und |ψ(θ+π)\left|\psi(\theta+\pi)\right\rangle auf gleiche Weise hergestellt werden – durch Drehen des Filters um einen Winkel θ\theta. Also müssen diese beiden Zustände identisch sein! Damit liefert uns Polarisation eine Intuition, wieso |ψ\left|\psi\right\rangle und |ψ-\left|\psi\right\rangle ununterscheidbar sein sollten (siehe 2.7).

Abbildung 2.9: Man kann die Menge des horizontal polarisierten Lichts messen, indem man es durch einen horizontalen Polarisationsfilter schickt und anschließend die Helligkeit misst. Für jeweils horizontal, vertikal und diagonal polarisiertes Licht sind die Messergebnisse dabei 100%100\%, 0%0\% und 50%50\% der Helligkeit, was den Wahrscheinlichkeiten des Messergebnisses 0 beim Messen der Zustände |0\left|0\right\rangle, |1\left|1\right\rangle und |+\left|+\right\rangle entspricht.

Eine weitere schöne Eigenschaft der Darstellung von Qubits durch polarisiertes Licht ist, dass wir Messungen leicht visualiseren können. Angenommen, wir wollen den Zustand |ψ(θ)\left|\psi(\theta)\right\rangle messen und die Wahrscheinlichkeit des Ergebnisses 0 herausfinden. Wenn wir den Zustand als Lichtstrahl gegeben haben, der um den Winkel θ\theta polarisiert ist, können wir diesen einfach durch einen horizontalen Polarisationsfilter schicken und messen, wie viel Licht herauskommt – wenn sich die Helligkeit auf 70%70\% reduziert, so ist die Wahrscheinlichkeit des Ergebnisses 0 genau 70%70\%. Insbesondere wird ein horizontal polarisierter Lichtstrahl komplett herauskommen, während ein vertikal polarisierter Lichtstrahl nicht hindurchkommt. Einen diagonal polarisierten Lichtstrahl durch einen horizontalen Polarisationsfilter zu schicken, wird in einem 50%50\% dunkleren Lichtstrahl resultieren (siehe Abb. 2.9).

Übungsaufgabe 2.9 (Experimentieren mit Polarisationsfiltern).

Falls du eine polarisierte Sonnenbrille Zuhause hast, kannst du sie einmal aufsetzen und auf einen PC- oder Handybildschirm schauen. Normalerweise strahlen Bildschirme polarisiertes Licht aus (wobei die Polarisationsrichtung vom Gerät abhängt). Wenn du also deinen Kopf zur Seite kippst, sollte der Bildschirm heller oder dunkler erscheinen. Kannst du erklären, warum das so ist?

Lösung. Wenn du deinen Kopf neigst, änderst du den Winkel zwischen dem Polarisationsfilter in deiner Sonnenbrille und der Richtung in welcher das Licht des Bildschirms polarisiert ist. Da die Menge des Lichts, das durch den Filter kommt, von diesem Winkel abhängt, ändert sich die Helligkeit. Genauso wird ein ändern des Winkels θ\theta die Wahrscheinlichkeit des Messergebnisses 0 beim Messen von |ψ(θ)\left|\psi(\theta)\right\rangle ändern.

Polarisiertes Licht ist nur eine Methode unter vielen, mit denen man Qubits in Laboren darstellen kann. Ein anderes Beispiel ist die location (engl. für “Position”) eines licht-transportierenden Teilchens namens Photon – da ein Photon sich nach den Gesetzen der Quantenmechanik verhält, kann es gleichzeitig an zwei Positionen gleichzeitig sein – in superpositon (engl. für “Überlagerung”). Wenn wir diese Positionen 0 und 11 nennen, entspricht der Zustand des Photons einem Qubit. Es gibt auch noch eine Menge anderer Möglichkeiten: In supraleitenden Schaltungen kann Strom in beide Richtungen gleichzeitig fließen, ein Elektron kann sich in zwei Orbitalen eines Atoms gleichzeitig befinden und so weiter. Kurz gesagt kann sich jedes quantenmechanische System, das sich in zwei unterscheidbaren Zuständen befinden kann, auch in deren Überlagerung befinden, also als physikalische Repräsentation eines Qubits genutzt werden.